Einsturz des Kölner Stadtarchivs:Suche kann noch Tage dauern

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Eine Woche nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs ist das Schicksal des zweiten Vermissten noch ungeklärt. Die Suchtrupps arbeiten weiter fieberhaft.

Eine Woche nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs und zweier angrenzender Wohnhäuser gibt es von dem zweiten vermissten Bewohner noch keine Spur. Die Suche könne noch Tage dauern, sagte am Dienstag ein Feuerwehrsprecher. Grabungen an der Stelle, wo am Montag die Geldbörse und die Jacke des 24 Jahre alten Studenten Khalil G. gefunden worden waren, blieben ohne Ergebnis.

Noch immer liegt an der Kölner Einsturzstelle alles in Schutt und Asche. (Foto: Foto: AP)

Feuerwehrdirektor Stephan Neuhoff versicherte: "Wir suchen den Vermissten, bis wir ihn haben." Am Sonntag war der 17-jährige Kevin K. tot aus den Trümmern geborgen worden. Die Bagger drangen mittlerweile auf sechs Meter unter Straßenniveau vor, doch die Spürhunde schlugen nicht mehr an.

Insgesamt wurden bis Dienstag 1700 Tonnen Schutt abgetragen. Rund 100 Einsatzkräfte waren im Schnitt im Einsatz. Für die vom Unglück Betroffenen kamen nach Angaben der Stadt Köln inzwischen mehr als 30.000 Euro an Spenden zusammen. Insgesamt haben 41 Haushalte mit 60 Personen ihr Zuhause verloren.

Ombudsmann ernannt

Für die Menschen, die durch das Unglück ihr Hab und Gut verloren haben, ernannte Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU) mit Peter von Blomberg einen ehrenamtlichen Ombudsmann. Der frühere Versicherungsmanager soll ihnen helfen, eine materielle Wiedergutmachung für ihre Schäden zu erhalten.

Die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) entsprachen am Dienstag teilweise einem Appell von Schramma und stellten zum Beispiel am Rathaus die Stemmarbeiten beim U-Bahn-Bau ein. An anderen U-Bahn-Baustellen müssten die Arbeiten aber aus Sicherheitsgründen weitergeführt werden, sagte Walter Reinarz aus dem KVB-Vorstand.

Derweil häuft sich die Zahl besorgter Anwohner entlang der neuen U-Bahn-Strecke. Insgesamt sind in den vergangenen Jahren Schäden an 300 bis 400 Gebäuden gemeldet worden, meist kleinere Risse. Bausachverständige des TÜV Rheinland untersuchen die Schäden nun auf Wunsch von Anwohnern. Etwa 50 Hausbewohner haben sich bisher gemeldet.

Immer wieder kleine Schäden

Der Betreiber des Stadthaus-Komplexes im Kölner Zentrum dementierte am Dienstag, dass der Bau wegen unterirdischer Hohlräume einzustürzen drohe. Zwar habe es in den vergangenen Jahren immer wieder kleine Schäden wie Rissbildungen im Putz gegeben. Doch sei der Komplex, in dem auch das Hotel Intercontinental untergebracht ist, nicht gefährdet, sagte der Geschäftsführer des Betreibers, Karl Bartel. Auch nach Angaben des Kölner Bauaufsichtsamtes gibt es "keine besondere Gefährdungslage". Das Stadthaus befindet sich etwa 750 Meter Luftlinie entfernt von der Unglücksstelle in der Severinstraße.

Wichtige Dokumente archiviert

Unterdessen gibt es einen Lichtblick, was die Dokumente angeht, die in Köln archiviert wurden. Denn ein Berg im Schwarzwald hütet einen Schatz, dessen Wert sich nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs erst in vollem Ausmaß offenbart. In einem ehemaligen Bergwerksstollen in Oberried bei Freiburg lagern mehr als 870 Millionen auf Mikrofilm gebannte Kopien historischer Dokumente. Davon stammen rund 1,2 Millionen Aufnahmen aus dem eingestürzten Kölner Stadtarchiv. Teile des zerstörten Kulturguts können somit wieder sichtbar gemacht werden. Die Arbeiten hierfür haben jetzt begonnen.

"Durch den Einsturz des Historischen Stadtarchivs in Köln ist eine Situation entstanden, die es in der fast 35-jährigen Geschichte unseres Archivs noch nie gab", sagt Ursula Fuchs vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Die Behörde mit Sitz in Bonn, die für den Schutz des deutschen Kulturgutes zuständig ist, verwaltet den Barbarastollen in den Tiefen des 1284 Meter hohen Schwarzwald-Bergs Schauinsland. Dort ist seit 1975 das größte Langzeitarchiv Europas untergebracht.

Die "unter Tage" gelagerten Aufnahmen zeigen Dokumente, die im Original in deutschen Archiven verwahrt werden. Dazu gehören auch historisch bedeutende Dokumente aus dem Kölner Stadtarchiv. "Wir haben bereits ermittelt, dass Papiere der Oberbürgermeister der Stadt Köln von 1815 bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bei uns archiviert sind", sagt Fuchs. Hinzu kämen die Baupläne des Kölner Doms sowie Nachweise über wichtige stadtgeschichtliche Ereignisse und Personen.

Archivgut wird systematisch eingelagert, um zerstörte Unikate zumindest als Kopien der Nachwelt zu erhalten. "An ein Unglück, wie es sich nun in Köln ereignet hat, haben die Gründer unseres Archivs damals nicht gedacht", sagt Fuchs. "Ihnen ist es darum gegangen, deutsches Kulturgut vor der Zerstörung durch Kriege und Naturkatastrophen zu bewahren." Das Kölner Unglück fordere das Langzeitarchiv nun zum ersten Mal.

Dokumente von nationaler Bedeutung

"Wann die Aufnahmen nach Köln kommen, ist noch unklar", sagt Bernhard Preuss, BBK-Referatsleiter für Kulturgutschutz. Zunächst werde abgewartet, welche Originaldokumente aus dem Kölner Trümmerberg gerettet werden können. Diejenigen Filme, die zerstörtes Material abbilden, sollen dem Kölner Stadtarchiv zur Verfügung gestellt werden, um neue Kopien anzufertigen.

Im Barbarastollen lagern Dokumente, die der Definition nach "eine hohe nationale oder kulturhistorische Bedeutung" haben. Zu ihnen zählen die Krönungsurkunde Ottos des Großen, der Vertragstext des Westfälischen Friedens oder Handschriften des Komponisten Johann Sebastian Bach.

In den Gängen des früheren Bergwerksstollen sind die Mikrofilme sicher. Sie lagern in großen, hermetisch abgeschlossenen Edelstahlfässern bei stets gleichbleibender Luftfeuchtigkeit und Temperatur und können so mindestens 500 Jahre überdauern. Der Stollen, der von stabilem Granitstein umschlossen ist, gilt als einsturzsicher. Zudem bietet er genügend Platz. "Jedes Jahr werden mehr als 15 Millionen neue Einzelaufnahmen hier eingelagert", sagt Fuchs. "Hält diese Entwicklung an, reicht der Stollen noch bis zum Jahr 2015." Danach könnten Seitenstollen genutzt werden. Zugang zum Barbarstollen haben nur wenige. Besuchern bleibt die Tür zum unterirdischen Archiv verschlossen.

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