Ein Anruf bei . . .:Monika Rieboldt, bei der Friedrich Merz abschrieb

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Wie es einer Uni-Sekretärin geht, die unfreiwillig und ungefragt zum Ghostwriter eines Politikers wird.

Martin Zips

Monika Rieboldt, seit 27 Jahren Sekretärin an der Uni Bielefeld, schreibt satirische Texte. Ihr fiktives Interview mit Ex-Siemens-Chef von Pierer, der 2010 zurückblickt, wie er Deutschland einst sanierte, ist ein Renner im Internet. Friedrich Merz bestritt mit Auszügen daraus in Aachen seine Rede als Karnevalsritter wider den tierischen Ernst. Passagen aus den beiden Texten werden unten einander gegenüber gestellt.

Friedrich Merz (Foto: Foto: dpa)

SZ: Frau Rieboldt, wie fühlt man sich als Ghostwriterin eines Politikers?

Rieboldt: Was ich nicht so gut finde, ist, dass Merz jetzt sagt, sein Diebstahl sei doch gar nicht so schlimm. Schließlich gebe es eh keine neuen Witze mehr. Also ich meine, da übernimmt der wörtlich Sätze aus meinem Text und dann das. Hat der das denn nötig, bei einer kleinen Sekretärin abzuschreiben?

SZ: Seit wann schreiben Sie Satiren?

Rieboldt: Seitdem ich im Jahr 2000 auf das Satiremagazin Zyn! im Internet stieß. Das hat mir gefallen. Ich bot denen einfach mal einen Text von mir an. Seitdem habe ich da viel veröffentlicht.

SZ: Ihr fiktives Gespräch mit Pierer fand sich bald hundertfach im Internet.

Rieboldt: Das hat früh eine Eigendynamik entwickelt. Viele haben es geklaut. Und jetzt eben auch Friedrich Merz.

SZ: In Ihrem Text wird vorgeschlagen, deutsche Rentner nach Polen auszulagern und Südtirol zu kaufen.

Rieboldt: Ja. Eine Sekretärin darf sich im Kämmerlein so einen Unsinn ausdenken. Ich hätte nie gedacht, dass ein Politiker diese Gedanken übernimmt. . .

SZ: ... aber doch nur im Scherz! Merz fügte Ihren Zeilen hinzu, "die Vogelgrippe" werde "kulturelle Probleme unseres Landes im Zusammenleben mit Mitbürgern islamischen Glaubens lösen".

Rieboldt: Unfassbar. Wie peinlich.

SZ: Sie arbeiten an der germanistischen Fakultät der Uni Bielefeld. Schätzt Ihr Professor Ihr Talent?

Rieboldt: Der weiß noch gar nicht, was da in Aachen passiert ist.

© SZ vom 14.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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