Ein Anruf bei:Mike Mullan, dessen Heimatort bei Ebay versteigert wird

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Bridgeville ist eine winzige Ortschaft im kalifornischen Niemandsland. Nun kommt der Ort schon zum zweiten Mal unter den Ebay-Hammer.

Tanja Rest

Bridgeville ist eine winzige Ortschaft im kalifornischen Niemandsland und der erste Ort der Welt, der bei Ebay versteigert wurde, für 1,77 Millionen Dollar (etwa 1,3 Millionen Euro). Das war im Jahr 2002 und führte zu nichts, da sich der Käufer niemals blicken ließ. Nun kommt Bridgeville ein zweites Mal unter den Ebay-Hammer. Die SZ sprach mit Mike Mullan, 54, dem Direktor der örtlichen Grundschule.

Bridgeville hat ungefähr 22 Einwohner und kostet im Moment 1,75 Millionen Dollar. (Foto: Foto: AP)

SZ: Mister Mullan, überprüfen Sie Ihr Schicksal jetzt täglich bei Ebay?

Mike Mullan: Nein.

SZ: Es interessiert Sie nicht?

Mullan: Sie glauben wohl, dass ich nichts Besseres zu tun habe. Mir fehlt die Zeit für so ein Zeug.

SZ: Das scheint dem Rest der Welt auch so zu gehen. Die Auktion läuft seit Monaten, bisher ohne Bieter.

Mullan: Wie viel Geld wollen sie denn diesmal?

SZ: 1,75 Millionen Dollar.

Mullan: Yeah. Schon mal in Bridgeville gewesen?

SZ: Nein.

Mullan: Hätte mich auch überrascht. Dann glauben Sie mir einfach: Selbst wenn Sie die Mieten erhöhen oder sich sonst was einfallen lassen - die 1,75 Millionen holen Sie hier nicht wieder raus.

SZ: Die Ebay-Geschichte des Ortes ist insgesamt keine glückliche. Der erste Käufer tauchte gar nicht erst auf, ein anderer zahlte 1,3 Millionen und beging drei Monate später Selbstmord.

Mullan: Jetzt gehört Bridgeville einem Geschäftsmann namens Bruce Krall, der hat ein bisschen Geld hineingesteckt. War nämlich alles total vermüllt und runtergekommen hier. Aber ob er bei Ebay Erfolg hat? Ich bezweifle es.

SZ: Was darf ein Besitzer von Bridgeville eigentlich alles tun?

Mullan: Sie kaufen ein Stück Land mit allem, was darauf ist, und können damit machen, was Sie wollen - wenn Sie verrückt genug sind. Die Leute in den Häusern sind Mieter: Wer Pech hat, dem wird gekündigt.

SZ: Stimmt es, dass die Auktion acht Häuser, ein Post Office und drei Kühe beinhaltet?

Mullan: Ich glaube nicht, dass die Kühe noch unter uns sind. Und eines der Häuser ist Weihnachten abgebrannt.

SZ: Mister Mullan, Sie machen hier nicht gerade Werbung für Ihren Ort.

Mullan: Warum sollte ich? Haben Sie 1,75 Millionen übrig für ein uraltes Grundstück am Ende der Welt mit ein paar Häusern drauf, die Ihnen im Monat vielleicht tausend Dollar einbringen?

SZ: Nein.

Mullan: Sehen Sie.

SZ: Jetzt hören Sie aber mal, der Ort hat doch eine großartige Geschichte! 1880 gegründet, zur Zeit des Gold Rush. Und eine Pony-Express-Station ist auch mal da gewesen, das ist doch was.

Mullan: Das mit dem Pony Express wird immer behauptet, stimmt aber nicht. Kutschen haben hier mal angehalten, aber die Zeiten sind lange rum. Um ein Restaurant oder sonstwas hier aufzuziehen, fehlt es an Menschen. Unser Schulbezirk beispielsweise umfasst 500 Quadratmeilen, und trotzdem haben wir nur 45 Schüler.

SZ: Wie viele Menschen leben denn in Bridgeville?

Mullan: Da muss ich mal schnell nachrechnen. Fünf, sechs, sieben...zwölf... 15, 16, 17... 19. - Ja, so zwischen 20 und 22 Leute werden es sein.

SZ: Was machen Bridgevilles Bürger an einem schönen Juliabend?

Mullan: Die gehen runter zum Fluss, schwimmen.

SZ: Immerhin.

Mullan: Es ist ein hübsches Plätzchen. Es gibt hier nur nichts. Wo leben Sie?

SZ: In München.

Mullan: Yep. Dann müssten Sie mal herkommen, um zu verstehen, wie isoliert wir sind. - Hören Sie, dauert das hier noch lange?

SZ: Oh. Entschuldigung.

Mullan: Kein Problem. Es ist nur so: Ich habe zwar diese Stelle als Schulleiter, aber ich bin auch Hausmeister, Verkehrsbeauftragter, fahre den Schulbus und ich kümmere mich auch noch um die Wasserversorgung. Das kommt davon, wenn man am Arsch der Welt wohnt: Man findet keinen, der hier sein Geld verdienen will.

© SZ vom 16. Juli 2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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