Ein Anruf bei . . .:Franzobel, Literat und Leim-Experte

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Wegen schlecht klebender Briefwahlkuverts muss die Bundespräsidentenwahl in Österreich verschoben werden. Hergestellt wurden die Kuverts in dem Ort, aus dem der Schriftsteller Franzobel stammt.

Von Martin Zips

Wegen schlecht klebender Briefkuverts muss in Österreich die Bundespräsidentenwahl auf den 4. Dezember verschoben werden. Hergestellt wurden die Kuverts von einer Druckerei im oberösterreichischen Vöcklabruck. Ein Gespräch mit dem aus dem Ort stammenden Schriftsteller Franzobel.

SZ: Sie wurden in Vöcklabruck geboren und sind Sohn eines Chemiearbeiters. Hat Ihre Familie irgendetwas mit der Produktion fehlerhafter Wahlkuverts zu tun?

Franzobel: Nein, nein. Mein Vater ist schon Pensionist. Aber mein Bruder, der arbeitet in der Gegend noch als Abfallbeauftragter. Der darf die 1,5 Millionen schlecht klebenden Kuverts jetzt vielleicht entsorgen.

Haben Sie mit der Druckerei schon mal zu tun gehabt?

Nicht direkt. Aber ich weiß, dass sich in der Nähe eine große Tierkörperbeseitigungsanlage befindet. Unsere Schülerzeitung haben wir damals bei einer anderen Druckerei drucken lassen.

Ist die fehlerhafte Produktion der Kuverts mit beleimter, silikonbedeckter Laschenrückseite Ihrer Meinung nach Sabotage?

Auszuschließen ist das nicht. Es gibt ja das Gerücht, dass ein Gesellschafter der Druckerei Mitglied der FPÖ sei. Und FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat gesagt, für ihn brauche es die Briefwahl gar nicht mehr - ein merkwürdiges Demokratieverständnis, wenn man gleich mal alle immobilen Menschen und Auslandsösterreicher ausschließen möchte. Jedenfalls zieht sich derzeit spürbar eine Mauer durch das Land. Nach Meinung der FPÖ gehört das Bundespräsidentenamt langfristig ohnehin ganz abgeschafft. Und die Österreicher meinen, der Bundespräsident sei eh nur was für den Opernball und die Neujahrsansprache - und dafür reichten der Lugner und der Andi Goldberger völlig aus.

Der Chef des österreichischen Bundeskriminalamts sagt, eine Tranche des Klebers stamme aus Deutschland.

Ach ja, der alte Konflikt. Dann liegt der Fehler also doch bei euch.

Briefwähler, so heißt es, wählen meist ja eher links.

Das ist so. Aber selbst als jemand, der aus Vöcklabruck stammt, kann ich Ihnen wirklich nicht sagen, warum die Kuverts nicht richtig kleben. Es scheint sich mir eher um eine dieser typischen Schusseligkeiten zu handeln, wie sie Österreich seit jeher auszeichnen. Da müsste man wohl alle Wahlen der vergangenen 80 Jahre wiederholen.

Haben Sie denn keine physikalische Erklärung? Bevor Sie Schriftsteller wurden, besuchten Sie doch die Höhere Technische Lehranstalt für Maschinenbau.

Ja, da habe ich viel über den Einbau von Sollbruchstellen gelernt. Eigentlich wollte ich Erfinder werden. Da hat mir diese Schule aber nicht weiterhelfen können. Jetzt heißt sie witzigerweise "Thomas-Bernhard-Schule". Da hätte man sie ja gleich nach mir benennen können.

Was ist das für ein Ort, Vöcklabruck?

Der Mundartdichter Franz Stelzhamer hat es mal so beschrieben: "Vorn ein Turm und hinten ein Turm/und dazwischen lauter Surm".

Wurm?

Surm. Simple Menschen.

Ach, Trottel.

Jedenfalls hat der Dialekt dort etwas sehr Hinterfotziges. Insgesamt ist Vöcklabruck aber eine recht schmucke Kleinstadt, wenn auch seit dem Bau eines Einkaufszentrums völlig tot. Menschenleer wie nach einem Giftgasangriff. Und überall sind Kreisverkehre und Baumärkte.

Werden Sie im Dezember wieder wählen?

Sicher. Am Ende hoffe ich natürlich, dass mein Land irgendwie geeint wird - trotz Unregelmäßigkeiten bei der Wahl und schlechtem Leim. Offenbar wird nicht nur bei Taschenbüchern der Klebstoff immer schlechter. Da fallen ja oftmals die Seiten schon nach wenigen Jahren heraus.

Sollte die Gesellschaft wieder mehr Wert auf guten Leim legen?

Nicht nur auf guten Leim. Auf Qualität insgesamt. Und auf eine würdige Demokratie mit einem Bundespräsidenten, der nach meiner Meinung nur Alexander Van der Bellen heißen kann.

© SZ vom 14.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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