Doppelmord von Bodenfelde:"Ich bin zerbrochen an meinem Sohn"

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Nach dem gewaltsamen Tod zweier Jugendlicher sitzt der 26-jährige mutmaßliche Täter in Haft - und will ein Geständnis ablegen. Sein Vater hat sich bereits zu Wort gemeldet und belastet ihn schwer.

J. Schneider, Hamburg

Es gibt keinen Trost, aber immerhin Entwarnung. Das ist die Botschaft in Bodenfelde am Mittwochmorgen. Während der vergangenen Tage hätten viele Familien in dem niedersächsischen Ort "ein ängstliches Gefühl" gehabt, sagt Polizeichef Hans-Walter Rusteberg. Sie trauten sich nicht hinaus, sobald es dunkel wurde. Erst recht ließen Eltern ihre Kinder nicht aus dem Haus. Viele Eltern brachten ihre Kinder in Fahrgemeinschaften zur Schule. Von einer "Zeit der Ungewissheit" spricht der Leiter der Polizeidirektion, und die sei nun zu Ende.

Ermittler nehmen den Tatverdächtigen fest. Das Motiv des 26-Jährigen, der ein Geständnis angekündigt hat, soll "Mordlust" gewesen sein. (Foto: dpa)

Denn die Ermittler sind sich sicher, dass sie den Mörder der 14 Jahre alten Nina und des 13 Jahre alten Tobias gefasst haben. Am Montagabend bereits nahmen sie den 26 Jahre alten Jan O. in einem Zug fest, der von Bodenfelde in Richtung des Nachbarortes Uslar fuhr, aus dem der Festgenommene stammt. "Wir sind uns absolut sicher, dass wir die richtige Person haben", sagt Mordkommissions-Chef Hartmut Reinecke. Ein Kollege sagt, der Verdächtige habe "nach unserer Bewertung das Potential zum Serienmörder".

Am Sonntagmittag waren die Leichen der beiden Jugendlichen im Wald am Rande des Dorfs im Weserbergland gefunden worden. Anders als noch am Montag geht die Polizei jetzt davon aus, dass das Mädchen bereits vor einer Woche, am vorvergangenen Montag oder Dienstag getötet worden ist, bald nachdem sie von zu Hause weggelaufen war. Beide Kinder seien erwürgt und erstochen worden, sagt Kriminaldirektor Andreas Borchert. "Die Details erspare ich mir."

Drei Tage nach dem Fund weiß die Polizei allerdings noch nicht, unter welchen Umständen die Jugendlichen ihrem Mörder begegnet sind, und warum gerade sie seine Opfer wurden. "Mordlust" nennt der Staatsanwalt als Motiv, darauf laute - das ist eher selten - der Haftbefehl. Aber was erklärt das? Der Täter hatte seine Opfer zum Teil ausgezogen. Deshalb bestand zunächst der Verdacht auf ein Sexualdelikt. Das schließt die Polizei aus. Warum aber hat der Täter seine Opfer zum Teil entkleidet? Am Mittwoch mutmaßt Kommissar Borchert: Ein Täter, dem Mordlust vorgeworfen wird, der "könnte ein Interesse gehabt haben, sein Opfer näher zu betrachten, es zu begutachten".

Wenig erklären die Lebensumstände des mutmaßlichen Täters: Er habe ein Drogen- und ein Alkoholproblem, sagte er bei der Festnahme. Seit 2003 ist er arbeitslos. Wegen zahlreicher Diebstähle wurde der 26-Jährige 2007 zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Er kam in den Drogenentzug, die Strafe wurde später zur Bewährung ausgesetzt. Es heißt , er habe - häufig im Internet - Kontakt zu jungen Mädchen gesucht.

Sofortige Fahndung

Ein weiterer Kontaktversuch in Bodenfelde führte die Polizei auf seine Spur. Ein Mädchen hatte sich bei den Ermittlern gemeldet. Sie sei von einem Mann angesprochen worden, schon am Samstagabend. Sie reagierte, so sagen die Polizisten, "clever" auf den Annäherungsversuch. Denn sie ließ sich die Handynummer geben, rückte aber ihre nicht heraus. Über diese Nummer kam die Polizei auf Jan O., weitere Recherchen im Internet nährten offenbar den Verdacht. Was genau die Beamten dort entdeckten, das sagen sie nicht. Es könnten die Versuche sein, zu minderjährigen Mädchen in sozialen Netzwerken Kontakt aufzunehmen.

Nach diesen Entdeckungen hätte man sofort nach ihm gefahndet, sagt Hartmut Reinecke, "wir wollten ein weiteres Delikt unbedingt verhindern." Der Leiter der Mordkommission nennt viele Indizien, die Jan O. belasten: ein falsches Alibi, Blutspuren an der Kleidung, Verletzungen an den Händen, für die er keine plausible Erklärung hatte. Jan O. habe wenig Reaktion gezeigt. Er gehe davon aus, so sagt Reinecke, dass der Mann psychisch gestört sei. "Nach einer Festnahme sind wir Ermittler wieder am Anfang."

Die wichtigsten Erkenntnisse erhofft die Polizei sich nun vom mutmaßlichen Täter selbst. Dessen Anwalt kündigte für Freitag ein Geständnis an, der 26-Jährige wolle sein Gewissen erleichtern. Auch der Vater des Verhafteten hat sich bereits zu Wort gemeldet: "Ja, ich kann mir vorstellen, dass es Jan war", sagte Klaus O. der Allgemeinen Zeitung Uelzen. "Ich bin zerbrochen an meinem Sohn."

© SZ vom 25.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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