Die Oktober-Wahl:Menschen des Monats

Lesezeit: 6 min

Ein ausgezeichneter Weltretter, ein Mann auf Kur und eine Frau, die polarisiert: Jeden Monat stellt sueddeutsche.de fünf Menschen vor, die in den vier Wochen zuvor aufgefallen sind.

Katja Schnitzler

Jeden Monat gibt es Absteiger und Aufsteiger, Absahner und Abenteurer, Philosophen und Politiker, Wirtschaftler und Wissenschaftler, die die Nachrichten bestimmen.

(Foto: Montage: Dreyssig)

Daneben fallen Menschen auf, die uns berühren und etwas bewegen, die unterhalten oder aufregen, oder deren Schicksal uns aus dem Alltag reißt.

Aus diesen Menschen wählt sueddeutsche.de jeden Monatsersten fünf aus und stellt sie in kurzen Porträts vor.

Von diesen fünf haben Sie nun den Menschen des Monats gewählt.

In diesem Monat teilen sich zwei Kandidaten mit 29 Prozent den ersten Platz. Der erste rettet die Welt...

Gegenvorschläge: Wer ist Ihr Mensch des Monats?

Al Gore, der trotz oder gerade wegen seines Friedensnobelpreises nicht für die US-Präsidentschaft kandidiert

(Foto: Foto: AP)

Während seines Wahlkampfes in den USA im Jahr 2000, den der frühere Vizepräsident eigentlich schon, aber dennoch nicht wirklich gewonnen hatte, wurde Al Gore immer wieder fehlendes Charisma vorgehalten - er wurde den Titel "Gore, the bore", Gore, der Langweiler, einfach nicht los. Davon ist heute keine Rede mehr. Al Gore ist zum Popstar geworden, ein Popstar des Umweltschutzes.

Dafür, dass er mit seinen Vortragsreisen und vor allem mit der oscargekrönten Dokumentation "Eine unbequeme Wahrheit" das Thema Klimaschutz nicht nur salon- sondern sogar saloonfähig macht, erhielt er gemeinsam mit dem UN-Klimarat am 12. Oktober den Friedensnobelpreis.

Sofort riefen Tausende Amerikaner "Gore for president!", Zehntausende unterschrieben Petitionen, um Al Gore zur Kandidatur für die Demokraten zu bewegen.

Doch der lehnte ab, bisher jedenfalls.

"Ich bin an einer anderen Art von Kampagne beteiligt. Das ist eine weltweite Kampagne, um die Denkweise der Menschen über die Klimakrise zu ändern", sagte der 59-Jährige.

Vielleicht ist doch noch nicht der rechte Zeitpunkt für einen dritten Versuch als Kandidat, schon gar nicht für ein Wettrennen mit der Frau des früheren Chefs.

Eine Kandidatur wäre auch deshalb verfrüht, da Gore im Falle eines Wahlsieges vor dem Problem stünde, als Friedensnobelpreisträger im Irak einen Krieg führen zu müssen.

Moralisch ist Gore derzeit der Sieger.

Und den Friedensnobelpreis kann ihm kein Richter mehr nehmen.

Der zweite Gewinner macht alles richtig...

Gegenvorschläge: Wer ist Ihr Mensch des Monats?

Frank Plasberg, der nun fairerweise im Ersten Politiker in die Enge fragen darf

Seine Premiere im Ersten Programm hatte Aufmerksamkeit bekommen wie eine Mondlandung, dabei war Frank Plasberg schon jahrelang erfolgreich als Moderator. Nur eben versteckt im Dritten Programm des WDR.

Den ganz großen Sprung ins Erste hatte er zwar verfehlt, als Anne Will die Nachfolge für Sabine Christiansen zugesprochen wurde.

Doch am 24. Oktober betrat auch Plasberg die Showbühne der ARD, und wo andere nur schwätzen ließen, moderierte er, und das auch noch schlagfertig.

Seine Sendung ist Programm, "Hart aber fair" sucht Plasberg stilvoll die Provokation und lockt manchmal sogar Politiker aus der Reserve, ohne dabei zu verletzen - getreu seinen eigenen Worten: "Wir sind hier doch nicht bei Kerner!"

Bei seinem Wechsel in die ARD büßte Plasberg eine Viertelstunde seiner Sendezeit ein.

Doch er weiß die verbleibenden 75 Minuten zu nutzen.

Diese Frau weiß zu polarisieren und sichert sich mit 27 Prozent den zweiten Platz...

Gegenvorschläge: Wer ist Ihr Mensch des Monats?

Eva Herman, die sich nicht an TV-Spielregeln hält und damit alles nur noch schlimmer macht

Mit der reaktionären Gedankenkette Frau - Mutter - Herd setzte sich Eva Herman bislang in Szene und trieb so die Absatzzahlen ihrer Bücher nach oben. Doch dann ging sie einen Schritt zu weit und verklärte das nationalsozialistische Mutterbild, das eigentlich deshalb geprägt worden war, um Fanatikern mehr Kanonenfutter zu liefern.

Das kostete die Moderatorin zwar ihren Job beim Norddeutschen Rundfunk. Dafür wurde sie am 9. Oktober bei Johannes B. Kerner eingeladen, der wissen wollte, was sie "wirklich denkt".

Erwartet wurde, dass sie sich wenn schon nicht entschuldigen, zumindest auf ein fatales Missverständnis herausreden würde. Doch Eva Herman hielt sich nicht an die Spielregeln, sondern machte alles noch schlimmer: Wenn man nicht über Familienwerte der Nazis reden dürfe, könne man auch nicht über die Autobahnen sprechen, die damals gebaut wurden.

Überhaupt sei die "gleichgeschaltete Presse" an allem Schuld.

Auch wenn die anderen drei Gäste, Schauspielerin Senta Berger, Ex-Talkmasterin Margarethe Schreinemakers und der Komiker Mario Barth, eigentlich nicht viel beizutragen hatten - ihre Empörung war groß, und Senta Berger drohte mit einem dramatischen Abgang.

Da bat Kerner lieber Eva Herman, zu gehen - und führte mit dem Rauswurf seine Talkshow ad absurdum.

So diskutierte Deutschland im Oktober nicht nur über die Entgleisungen der Frau Herman, sondern auch über den Wert einer Gesprächsrunde, in der Diskussionen nicht zu Ende geführt werden dürfen.

Eva Herman wird nun die Geister, die sie rief, nicht mehr los. Und hat jetzt viel Zeit für ihr geplantes drittes Buch.

Dieser Mann hat ein miserables Timing. Und kommt mit 11 Prozent nur auf einen dritten Platz ...

Gegenvorschläge: Wer ist Ihr Mensch des Monats?

Manfred Schell, Chef der Gewerkschaft der Lokführer und im entscheidenden Moment auf Kur

Für Gewerkschaften ist der Streik das ultimative Mittel, Macht zu demonstrieren. Damit stärken sie ihre Argumente und zermürben den Gegner, in diesem Fall die Bahn. In der Verhandlungsphase darf sich niemand Schwächen erlauben, das it klar. Eigentlich. Nur nicht dem Gewerkschafts-Boss Manfred Schell. Der zog sich just in der heißen Phase zur Kur an den Bodensee zurück.

Damit hatten die Vize-Vorsitzenden Claus Weselsky und Günther Kinscher zwar einen schwereren Stand bei der Bahn, hätten ihn aber halten können - wenn sich der Chef am Bodensee ruhig seinen Behandlungen hingegeben hätte und Streik auch Streik sein lassen. Doch so viel Rückzug behagte Schell nicht, er telefonierte und dirigierte - ein PR-Desaster für die GDL.

Und ein Mobilitäts-Desaster für die Bahnkunden, die die Auswirkungen der in die Länge gezogenen Verhandlungen zu spüren bekamen: Nichts ging mehr im Regionalverkehr, und wenn, dann nur sehr langsam.

Die Bahn nutzte die Führungsschwäche der Gewerkschaft aus - und legte kein Angebot für einen eigenen Tarifvertrag für GDL-Lokführer vor.

Und aus der zweiten Reihe begann das Sägen an Schells Stuhl: Während dieser an einem Donnerstag behauptete, er könne den Streik für Freitag nicht mehr absagen, meinte Vize Weselsky unbekümmert am nächsten Morgen: Das wäre organisatorisch kein Problem gewesen.

Manfred Schell war eigentlich überzeugt, bis zum Antritt seiner Kur am 16. Oktober sei "der Käse längst gegessen".

Diese Fehleinschätzung dürfte ihm die teuer erkaufte Erholung gekostet haben.

Da wäre er besser daheim geblieben.

Diese Frau will an die Macht und ist mit 5 Prozent das Schlusslicht der Menschen des Monats...

Gegenvorschläge: Wer ist Ihr Mensch des Monats?

Benazir Bhutto, die sich nach dem blutigen Anschlag als Märtyrerin einer verhinderten Demokratie profilieren will

Acht Jahre lang war Benazir Bhutto im Exil in London und Dubai, auf der Flucht vor Korruptionsklagen. Die Politikerin ist die ideale Feindfigur für Islamisten: Ausgebildet in Harvard und Oxford, regierte sie 1988 als erste Frau ein muslimisches Land. Extremisten machen ihr nicht nur zum Vorwurf, dass sie eine machthungrige Frau ist, sondern auch ihre Nähe zu den USA.

Bhutto weiß das und fordert ihre Gegner umso lieber heraus - auch gegen Warnungen, etwa den Triumphzug nach ihrer Rückkehr nicht im Schrittempo durchs aufgeheizte Karatschi zu führen. Ein Regierungssprecher sagte, man habe ihr geraten, die Reise an sich zu verschieben. Doch Bhutto wollte nicht.

Diesen Starrsinn warfen ihr Kritiker vor, nachdem mindestens 130 Menschen bei einem Bombenanschlagstarben, der Bhutto galt.

Auch nach dem Attentat, das ihr bei der Wahl im Januar sogar Stimmen bringen könnte, blieb Bhutto starrsinnig. Während ihre Partei Pakistan People's Party einen Termin im Süden des Landes am Grab von Bhuttos Vater absagte - zu gefährlich - reiste die "Unvergleichliche" (so die Übersetzung ihres Vornamens) dennoch an, allen Drohungen zum Trotz.

Benazir Bhutto nimmt viel auf sich, um wieder an die Macht zu kommen: Ausgerechnet die Tochter des früheren Premiers und Präsidenten Zulfikar Ali Bhutto, den General Zia ul-Haq 1979 hinrichten ließ, paktiert nun mit einem Militärmachthaber.

Kurz vor ihrer Rückreise ließ der in Bedrängnis geratene Staatschef Pervez Musharraf alle Korruptionsvorwürfe gegen Bhutto fallen - um selbst durch einen Pakt mit der PPP-Chefin an der Macht zu bleiben.

Das Attentat wird nun ihren Ruf als furchtlose Kämpferin noch stärken - damit könnte sie auch Musharraf gefährlich werden.

Ob sie im Falle eines Wahlerfolges jedoch das Land aus der Krise führen könnte und würde, ist fraglich: Zwei Mal stand Benazir Bhutto bereits an der Spitze des Staates - beide Male zerbrach ihre Regierung an Inkompetenz und an Korruptionsvorwürfen.

Der Titel ihrer Autobiographie lautet "Die Tochter der Macht". Das darf man wörtlich nehmen.

In diesem Monat gehören auch Evelyn Haman, Loriot, Johannes Lohmeyer, Georg Schramm und Hillary Clinton zu Ihren Menschen des Monats.

Gegenvorschläge: Wer ist Ihr Mensch des Monats?

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