Deutschen Bahn:Mehdorn attackiert Eisenbahnbundesamt

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Das Eisenbahnbundesamt und die Bahn streiten sich über kürzere Prüfintervalle für den ICE3. Bahnchef Hartmut Mehdorn wirft der Behörde Unsachlichkeit vor.

H. Leyendecker

Der Ton zwischen der Deutschen Bahn und dem Bonner Eisenbahnbundesamt (EBA) wird rauer. In einem Brief an Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee wirft Bahnchef Hartmut Mehdorn der Kontrollbehörde vor, sich "seit etwa einem Jahr" in Sicherheitsfragen "dem bis dahin weitgehend sachlichen und ausgewogenen Dialog mit der Deutschen Bahn" immer häufiger zu verschließen "und stattdessen Schlagzeilen in der Öffentlichkeit zu produzieren".

Ein Techniker im Frankfurter Werk der Deutschen Bahn rüstet sich für eine Fehleranalyse bei einem ICE3. (Foto: Foto: ddp)

Auslöser für Mehdorns Attacke waren öffentlich gewordene Differenzen über die notwendigen Prüfintervalle für spezielle Radsatzwellen von Hochgeschwindigkeitszügen des Typ ICE 3. Das Amt hatte angeordnet, dass Radsätze, die aus dem Werkstoff "A4T" bestehen, nicht mehr wie bisher nach 300 000 Kilometern, sondern bereits nach 120 000 Kilometern zur Inspektion müssen.

Von der Maßnahme des Eisenbahnbundesamtes sind 17 der insgesamt 67 ICE 3 betroffen. Es handelt sich um Mehrsystemzüge der Baureihe 406, die auch zwischen den Niederlanden, Frankreich und Deutschland verkehren. Die Bahn äußerte "Unverständnis" über die Maßnahme und kündigte Widerspruch gegen die kürzeren Prüfintervalle an, will aber der Anordnung Folge leisten.

Solche Widersprüche sind nicht unüblich. Mehdorn verwies in dem Brief an Tiefensee darauf, dass die "Radsatzwellen von der Industrie unter Einhaltung der maßgeblichen europäischen Normen hergestellt worden" seien.

Die Bahn habe den Eindruck, dass das EBA "unter Einforderung unverhältnismäßig hoher Sicherheitserwartungen sowie Androhung noch weitergehender Maßnahmen - bis hin zu faktischen Flottenstillegungen Anforderungen im Sinne eines restrisikolosen Eisenbahnbetriebs" stelle, die "unverhältnismäßig und mit erheblichen Einschränkungen" für die Bahnkunden verbunden seien. Diese Vorgehensweise werde begleitet "von einer unsachlichen Verschärfung der Tonalität bis hin zu verbalen Entgleisungen mit zum Teil ehrverletzendem Charakter".

Fehlerhafte Radsatzwelle

Grundlage dieses Bescheides des Eisenbahnbundesamtes sind zwei Schreiben der DB Fernverkehr AG an die Aufsichtsbehörde vom 5. und 8. August. In dem ersten Schreiben hatte die Bahn erklärt, die erst am Vortag übersandten "Berechnungsergebnisse" für die Radsatzwelle "A4T" seien fehlerhaft gewesen.

Bei dem Laufradsatz, der bei den Mehrsystemzügen einsetzt werde, könne die "Dauerfestigkeit in zwei Querschnitten" nicht nachgewiesen werden. Die Bahn schlage deshalb vor, im Mittelwagen, der die größte Masse aufweise, die Toiletten zu verschließen und ohne Frisch- und Abwasser ("Betriebsstoffe") zu fahren. Durch diese Maßnahme könne die Last um 735 Kilogramm reduziert werden.

Drei Tage später teilte die Bahn mit, die "Maßnahme Verriegeln der Toilette" sei doch nicht notwendig, denn der Hersteller habe herausgefunden, dass das Abschalten der WB" - der Wirbelstrombremse - einen "erheblich größeren Effekt als die Reduktion der Wassermassen" habe.

Experten streiten schon eine Weile über die Sicherheit der Achsen. Im TV-Magazin "Monitor" erklärte am Donnerstag der Radspezialist Professor Vatroslav Grubisic "im Prinzip durfte man solche Achsen nicht einbauen". Mehdorn hingegen verweist in dem Brief an Tiefensee darauf, dass bei Zügen der Baureihe 403 bereits die "Dauerfestigkeit der Radsatzwellen aus dem Werkstoff A4T nachgewiesen worden" sei. Das "bereits beschlossene" Abschalten der Wirbelstrombremse hätte "ausreichende Sicherheit" gewährleistet.

Nach dem Bruch einer Radsatzwelle eines anderen Werkstoffs am 9. Juli in Köln hatte die Bahn alle baugleichen Radsätze untersucht und keine Auffälligkeiten gefunden. Die in diesem Fall ermittelnde Kölner Staatsanwaltschaft rechnet für die nächste Woche mit einem Gutachten der Berliner Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) über die

Gründe für den Bruch der Radsatzwelle. Vom Ergebnis des Gutachtens hängt es ab, ob Ermittlungen gegen Bahnbedienstete oder den Hersteller eingeleitet werden, oder ob das Ermittlungsverfahren eingestellt wird.

© SZ vom 16.08.2008/ssc - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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