"Als die Sterndeuter gegangen waren, erschien dem Josef im Traum ein Engel des Herrn und sagte: ,Steh auf, nimm das Kind und flieh nach Ägypten.' "
Die Flucht der heiligen Familie vor dem kindermordenden Israeliten-König Herodes, knapp geschildert im Matthäus-Evangelium, spielt in der westlich-römischen Christusgeschichte keine Rolle. Der zwölfjährige Jesus taucht irgendwann in Jerusalem auf, widerlegt im Tempel die Schriftgelehrten und bleibt bis zum Tod am Kreuz im Heiligen Land.
Ganz anders ist das bei den Kopten, den ägyptischen Christen. Dort begeht Jesus in Ägypten ein Wunder nach dem anderen, und das als Säugling. "Jesus hat die Menschen auf der Flucht vor Herodes in der Wüste vor dem Verdursten gerettet, da war er erst knapp sechs Monate alt", sagt Fayez Ghali. "Aber die meisten Christen außerhalb Ägyptens wissen nichts über seine vierjährige Zeit bei uns. Das sollte sich ändern."
Der Ägypter Ghali ist koptischer Christ, Drehbuchschreiber und arbeitet am ersten arabischen Jesus-Film. Was seit dem Streit um die dänischen Mohammed-Karikaturen ein eher delikates Unterfangen ist. Ägypten ist ein islamisches Land, Muslime betrachten die bildliche Darstellung von Propheten als Sakrileg. Sofort nach Bekanntwerden der Filmidee gab es Protest: Gelehrte des Forschungszentrums der Kairoer Al-Azhar-Universität erklärten, man lehne "die Darstellung der Propheten und ihrer Getreuen ab, das gilt auch für Jesus."
Mel Gibsons "Passion of the Christ" war eine Kassenschlager
90 Prozent der Ägypter sind Muslime, nur die restlichen zehn Prozent Christen. Die Regierung achtet darauf, dass das Zusammenleben der Religionsgruppen funktioniert - und kümmert sich zuerst um die Bedenken der Mehrheit. Die Kopten werden sozial und politisch benachteiligt, noch immer kommt es zu gewalttätigen Ausschreitungen gegen sie - so wie am Freitag, als Messerstecher drei koptische Gottesdienste in Alexandria stürmten, einen Menschen töteten und ein Dutzend schwer verletzten.
Ägyptische Geschichte, die an Schulen und Universitäten gelehrt wird, ist eine Geschichte aus islamischer Perspektive. Und das, obwohl Ägypten eines der ersten christianisierten Länder war und bis zur islamischen Eroberung im 7. Jahrhundert blieb.
Vielleicht deshalb werden Jesus und Maria von den ägyptischen Muslimen geschätzt: Muslime besuchen die christlichen Wunderstätten, die DVD von Mel Gibsons "The Passion of the Christ" war ein Kassenschlager in Kairo.
"Jesus war Orientale"
Jetzt muss das Treatment des ägyptischen Jesus-Films über den Schreibtisch des staatlichen Zensors. Der wird mit Sicherheit auf die von islamischen Institutionen gerne auch im eigenen politischen Interesse hoch gehaltenen religiösen Gefühle der Muslime achten. Da traf es sich gut, dass der Zensor krank geworden ist und das Treatment an den Koptenpapst Schenuda II. weitergereicht wurde. Der denkt derzeit über den Film nach; sein Urteil soll den Ausschlag geben.
Der Kopte Hani Azis, einer seiner inoffiziellen Berater, sagt: "Die Kirche wird mit Sicherheit auf drei Punkten bestehen: Das Drehbuch muss der Bibel und den Schriften folgen; die Kirche wird den Film nicht finanzieren; es müssen geeignete Schauspieler gefunden werden." Will heißen: Der Film darf nicht von Kirchenmeinung abweichen.
Ghali, der einen Film "von der Geburt Jesu bis zum Tod unter besonderer Berücksichtigung seiner Zeit in Ägypten" machen will, wird kaum von der offiziellen Jesussicht abweichen. Was ihn mehr interessiert: "Jesus war Orientale. Dieser Film wird der erste Film von Orientalen über ihn sein, kein Film von Westlern." Zur Sicherheit hängt er ein kultur- und religionsübergreifendes Argument hinten dran: "Der Jesus-Film könnte auch gut für Ägyptens Tourismus sein."