Der Eisbär ist los:"Mach's gut, Knut"

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Der erste Freigang für den kleinen Eisbären geriet zu einer Weltpressekonferenz, der sich ein deutscher Umweltminister gerne anschloss. Ein Ende des Knut-Hypes ist nicht in Sicht.

Thorsten Denkler, Berlin

Ein kleiner Eisbär lässt sich nicht von jedem streicheln, auch von einem Minister nicht. Aber Sigmar Gabriel, in der Bundesregierung zuständig für Umweltfragen, ließ nicht locker. Er tapste Knut auf dem Braunbärengelände im Zoologischen Garten zuweilen ähnlich unbeholfen hinterher, wie Knut selbst unterwegs war. Nur, dass Knut entschuldigt war - wegen seines Alters.

Am fünften Dezember kam Knut zur Welt. Dass sein Geburtsort nicht die Arktis sondern ein Westberliner Zoo war, dürfte ihn nicht weiter gestört haben. Er kennt es ja nicht anderes.

Dass aber das Licht der Welt im Wesentlichen aus Blitzlichtern und Kameraleuchten zu bestehen scheint, sollte ihn zumindest irritieren. Heute hatte Knut zum ersten Mal Freigang. Zwei Stunden, von 10:15 Uhr bis 12:15 Uhr stand herumtollen mit Tierpfleger Thomas Dörflein auf dem Terminplan des Stars.

Das Medienaufgebot am Braunbär-Gehege entsprach einem mittleren EU-Gipfel. Der Rundfunk Berlin-Brandenburg übertrug live, das ARD-Hauptstadtbüro hatte Reporter geschickt. Selbst die altehrwürdige BBC war zugegen.

Korrespondenten angesehener Zeitungen wurden in den Zoo abkommandiert. Unzählige Fotografen säumten die Mauer, die die Zoobesucher von den Bären trennt. An Knut kommt keiner vorbei - und das nicht erst seit heute.

Seit seiner Geburt ist Knut ein tierischer Popstar. Erst nur in Berlin, seit einigen Wochen deutschlandweit. Spätestens seit die Bild-Zeitung mehrere Seite-Eins-Geschichten über Knut lieferte, ist auch die Weltöffentlichkeit auf Knut aufmerksam geworden.

"Wir wollen Knut"-Sprechchöre

Die Fans ließen nicht auf sich warten. Wie bestellt und zur Freude der Kamerateams skandierte ein gutes Dutzend Viertklässler aus Reinickendorf: "Wir wollen Knut, Wir wollen Knut" und "Was wollen wir? Knut! Wann wollen wir ihn? Jetzt!"

Die Kinder waren ähnlich alt, wie jene, die der Bild-Zeitung ihre selbstgemalten Knutbilder geschickt hatten. Daneben druckte das Blatt das Foto eines kopulierenden Eisbärenpaares ab, angeblich vor genau acht Monaten im Berliner Zoo aufgenommen. Titel: "Wird hier Knut gemacht?"

Auch Minister Gabriel wollte sich eine Scheibe vom Knut-Hype abschneiden. Aus seinem Haus soll die Idee gekommen sein, Gabriel zu Knuts Paten zu machen. Ein gelungener PR-Coup. Nichts ist in Deutschland derzeit beliebter, als das knuddelige Eisbären-Baby. Da passt es gut, dass die Verwandten in der Arktis vom Klimawandel gebeutelt sind. Und Klima, das ist ja das große Thema von Sigmar Gabriel.

Der kleine Eisbär Knut wird deshalb Maskottchen für die internationale Artenschutzkonferenz im kommenden Jahr in Bonn, kündigte Gabriel an. Er wolle Knut dafür "natürlich eine Gage zahlen", wie es sich für "Pop- und Showstars" gehöre.

Der Hype wird also weitergehen. In der kommenden Woche, so ist zu hören, will ein Hochglanzmagazin eine 18-Seiten-Strecke über Eisbären und Klimawandel bringen. Eine nicht unerhebliche Rolle dürfte dabei auch ein kleiner Eisbär namens Knut spielen. Da kann man nur mit Minister Gabriel schließen.

Der rief dem Eisbärenbaby noch ein "Mach's gut, Knut!" hinterher, bevor er sich auf wieder auf den Weg machte, seinem eigentlichen Ziel näher zu kommen: Eisbären retten in der Arktis. Die Frage ist: Wer rettet Knut?

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