Debatte:Gar nicht geil

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"Klar, was sie eigentlich von mir will", sagt der Mann im Kinospot. Dann tut er es und findet es geil. Studenten in Baden-Württemberg haben diesen Clip gegen Vergewaltigung gedreht. Zu ihrer Überraschung ernten sie nun vor allem Entrüstung.

Von Friederike Zoe Grasshoff

Sitzt ein Mann auf der Couch, lächelt, blickt in die Kamera, sagt: "Fand ich schon immer heiß, die Hannah." Schnitt. Hannah läuft im Kleid durch die Küche, er schaut ihr hinterher, mustert ihre Beine. Schnitt. Der Mann auf der Couch, er lächelt wieder: "Dann hat sie mich eingeladen, war klar, was sie eigentlich von mir will." Schnitt, die Küche. Er baut sich hinter ihr auf, küsst sie in den Nacken. Hannah sagt, leise: "Hey! Lass!" Jetzt wird ihr klar, was passiert. "Bitte lass!" Mehr wird sie nicht sagen. Er zieht ihr den Rock hoch, vergewaltigt sie. Einfach so, am Küchentisch. "War schon geil", sagt er dann noch. Und lächelt wieder so. Hannah weint.

59 Sekunden dauert das Video, das Ende Oktober ins Netz gestellt, als Spot in baden-württembergischen Kinos gezeigt - und am vergangenen Montag aus dem Netz genommen wurde. Weil ziemlich vielen Menschen das Video dann doch nicht gefiel. Weil manch ein Kinobesucher wohl nicht so recht wusste, was man hier eigentlich serviert kriegt zwischen Eis-Werbung und Thriller-Geballer. Klar, am Ende des Videos ist die Rede davon, dass alle drei Minuten in Deutschland eine Frau vergewaltigt werde, die Worte "Stop Rape!" werden eingeblendet. Aber kann man so einen Mitte-20-Durchschnittsmann einfach so zeigen, wie er sich nimmt, was er will, wie er sagt: "War schon geil"? Ohne Konsequenzen, ohne eine Frau, die Nein oder Arschloch schreit, die ihn anzeigt, ihn schlägt?

Frauen klagen darüber, dass das Video unschöne Erfahrungen zurückhole

Ja, kann man wohl. Der Clip ist nicht eines dieser vielen intendiert verstörenden Videos aus dem Internet, er ist Teil einer Kampagne gegen sexuelle Nötigung und Vergewaltigung; initiiert von der Landesarbeitsgemeinschaft der kommunalen Frauenbeauftragten Baden-Württemberg. Das Drehbuch und die Umsetzung übernahmen Studenten der Hochschule Konstanz für Technik, Wirtschaft und Gestaltung (HTWG). Bestimmt gut gemeint - aber auch gut gemacht? Fast vier Wochen lang war das Video zu sehen, dann wurde der Sturm an verbaler Entrüstung wohl zu gewaltig. Erst kamen rassistische Bemerkungen in sozialen Medien, Tenor: Deutsche Männer machen so was nicht. Dann kamen die etwas differenzierteren Kritiker: Betroffene, Nicht-Betroffene. Frauen, die darüber klagten, dass das Video sie triggert, zurückliegende, unschöne Erfahrungen zurückhole. Die schrieben, dass man hier keine "Warnung", sondern eine "Speisekarte" zu sehen bekomme. Die wütend darüber waren und immer noch sind, dass die Frau im Video sich nicht wehrt. Und das in einem Jahr, das mit sexuellen Übergriffen in der Silvesternacht begann. Nach einem Sommer, in dem halb Deutschland über die Causa Lohfink und das Sexualstrafrecht diskutierte.

Projektleiterin Christa Albrecht, Leiterin der Chancengleichheitsstelle Konstanz, fühlt sich missverstanden. Das Video sei zur Prävention gedacht gewesen, sagt sie der SZ. "Frauen waren nicht die Zielgruppe. Wir wollten vor allem jungen Männern klarmachen, dass Vergewaltigung eine massive Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung ist." Und nun, mit ein bisschen Abstand und all den Reaktionen, war das Video vielleicht doch ein Fehler? "Ich sehe das nicht als Fehler", sagt sie. "Wir wollten Frauen nicht erneut traumatisieren." Und: Man habe eine breite Diskussion über sexuelle Gewalt entfacht. Irgendwann wurde die Diskussion dann so breit, dass man sich intern dazu entschloss, das Video nicht mehr zu zeigen, auch die Kinos seien darum gebeten worden.

Andreas Bechtold, Professor für Timebased Design an der HTWG und betreuender Professor, sagt, dass er das Diskussionspotenzial "unterschätzt" habe. "Wir dachten, wir können Männer dazu bringen, zu sagen: So will ich nicht sein." Heute würde er den Clip wahrscheinlich nicht mehr so drehen, auch um seine Studenten vor Anfeindungen zu schützen. "Wir wollten die zeigen, von denen das Problem ausgeht, die Männer." Und die werden oft nicht angezeigt oder bestraft. Und denken: War schon geil.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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