Chris de Burgh:"Jeder Künstler polarisiert"

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Trotz seiner Erfolge sind Anhänger des irischen Sängers nur schwer zu finden. Doch gerade in Deutschland kommen sehr viele Teenager zu seinen Konzerten - sagt zumindest der Musiker selbst.

Marten Rolff

Seine Deutschlandtour startet Chris de Burgh, 58, an diesem Dienstag. Die Konzerte sind ausverkauft, sein neues Album "The Storyman" ist weit oben in den Charts. Trotzdem sind Fans des irischen Sängers nur schwer ausfindig zu machen. "Der ist nett. Den fand meine Mutter mal gut", ist da das größte Zugeständnis. Zeit für einen Anruf beim guten Menschen von Dublin.

Schmusesänger Chris de Burgh (Foto: Foto: dpa)

SZ: Mister de Burgh, 45 Millionen verkaufte Platten, Ihr neues Album ist auf Platz fünf und Ihre Tour ausverkauft.

de Burgh: Sehr gute Nachrichten, oder? Ich habe einfach immer das gemacht, was ich kann. Und offenbar gefällt das sehr vielen Leuten. Das spornt natürlich an.

SZ: Natürlich... Wenn man seit 30 Jahren auftritt, wollen da alte Fans eher den alten oder neue vielleicht auch mal einen neuen Chris de Burgh hören?

de Burgh: Ich habe Fans aus allen Generationen, nicht nur ältere, die meine Musik von vor 25 Jahren kennen. Gerade in Deutschland kommen sehr viele Teenager zu meinen Konzerten. Eine völlig neue Generation, sehr aufregend. Vielleicht hat es mit der Tiefe meiner Musik zu tun. Und es muss daran liegen, dass ich ihnen etwas gebe, was sie sonst nirgendwo finden.

SZ: Möglicherweise die ungewöhnliche Gewissheit, denselben Musikgeschmack zu haben wie ihre Großeltern?

de Burgh: Also, wenn Sie hier mit der Absicht angerufen haben, dass ich meine Musik rechtfertigen muss, sollten wir lieber gar nicht miteinander sprechen.

SZ: Es geht nicht um Rechtfertigung, sondern um Ihre Meinung zu der bemerkenswerten Tatsache, dass kaum ein Künstler so heftig polarisiert wie Sie.

de Burgh: Polarisieren? Wo und wen?

SZ: Alles, was man über Sie liest, ist recht extrem. Die einen lieben Ihre Wahrhaftigkeit und feiern Sie als König des Gefühls, als Vorbild von Sängern wie James Blunt. Andere sprechen von überorchestriertem Ethnosülz für pensionierte Esoteriker und sind schockiert über Auftritte bei "Verstehen Sie Spaß?" oder Carmen Nebels "Musikantenscheune".

de Burgh: Jeder Künstler polarisiert, oder? Ob ein Kritiker Lady in Red hasst, ist mir egal, solange ich das Lied acht Millionen Mal verkaufe. Wer es nicht mag, soll sich die Ohren zuhalten. Ich habe zuletzt vor 20 Jahren eine Kritik über eines meiner Konzerte gelesen. Journalisten sind zu sehr von sich eingenommen. Was die schreiben, interessiert mich nicht.

SZ: Natürlich nicht.

de Burgh: Als ich bei "Verstehen Sie Spaß?" aufgetreten bin, ist das Publikum wegen der Show gekommen, nicht meinetwegen. Trotzdem gab es einen Applaus, der nicht enden wollte. Der Regisseur hat später zu mir gesagt, dass er so etwas Unglaubliches noch nie erlebt hat.

SZ: Da widerspricht man nur ungern.

de Burgh: Meine Liebe zu Deutschland hängt auch mit der großen Loyalität der deutschen Fans zusammen. Es sind vielleicht die besten der Welt. Die Deutschen hassen es, verarscht zu werden.

SZ: Was macht Sie da so sicher?

de Burgh: Ich glaube, sie mögen meine Authentizität. Viele Künstler aus den USA erscheinen mit 25 Leibwächtern zum Konzert und glauben, sie seien unsterblich. Ich dagegen bin ein ganz normaler Typ, der seine Kinder täglich selber zur Schule bringt. Das kommt an.

SZ: Viele Ihrer Lieder handeln von Privatem. Oft sind es eher rührige Geschichten. Wie wichtig ist das fürs Image?

de Burgh: Es ist weniger Autobiographisches in meinen Liedern, als man behauptet. Im Gegenteil: Ich versuche eher, nicht zu viel preiszugeben. 90 Prozent der Geschichten über mich sind eh Quatsch.

SZ: Da käme es auf einen Test an.

de Burgh: Fragen Sie mich bitte!

SZ: Der hochsensible irische Künstler hat nur Inspiration, wenn er auf seinem meerumbrandeten irischen Schloss komponiert. Soll von Ihnen stammen.

de Burgh: Ist doch lächerlich! Dazu reise ich zu viel. Meine Songs schreibe ich auf der ganzen Welt. Die letzte Idee hatte ich in einem Kölner Hotel, als die Putzkolonne im Zimmer wirbelte. Richtig ist: Mein Zuhause ist mir wichtig. Ein Rückzugsgebiet. Wie für viele andere auch.

SZ: Gala zufolge haben Sie in Indien jemanden durch Handauflegen geheilt. Also kraft Ihrer positiven Energie.

de Burgh: Aber ich war noch nie in Indien. Reicht das?

SZ: Das reicht schon.

de Burgh: Hören Sie, vor mir auf dem Schreibtisch liegt gerade ein Entschuldigungsschreiben der Sun. Stellen Sie sich vor, die haben mich mit Jesus verglichen.

SZ: Wieso das?

de Burgh: Was weiß ich. Die erfinden das einfach. Um andere lächerlich zu machen. Haben Sie noch mehr auf Lager?

SZ: Ja, Sie sollen für viel Geld gerade einen Soldatenbrief aus dem Ersten Weltkrieg ersteigert haben.

de Burgh: Das ist zur Abwechslung korrekt. Der Brief eines unbekannten Soldaten an seine Mutter über den Waffenstillstand an Weihnachten 1914. Dort wird beschrieben, wie die Soldaten beider Seiten sich im Niemandsland trafen, Hände schüttelten, Zigaretten tauschten und gemeinsam sangen. Ein faszinierendes Dokument über die Absurdität des Krieges.

SZ: Aber dieser Kauf belegt jetzt endlich einmal das Gut-Menschen-Image von Chris de Burgh!

de Burgh: Ach was. Ich habe Geschichte am Trinity-College in Dublin studiert, mein Großvater war General im Ersten Weltkrieg und mein Großonkel ist dort als erster Offizier überhaupt gefallen. Zudem sammle ich Bücher über den Ersten Weltkrieg. Rechtfertigt das ein Interesse? Vielleicht wird es irgendwann sogar einmal ein Lied von mir darüber geben. Übrigens hat auch Paul McCartney über den Weihnachtsfrieden geschrieben.

SZ: Das wäre wohl ein Punkt für Sie.

de Burgh: Und ich mache noch einen: Der Sänger, den Sie da vorhin im Zusammenhang mit mir erwähnten. . . Also, ich mache da jedes Mal das Radio aus.

SZ: Ach was, Chris de Burgh hasst Lieder von James Blunt? Wild!

de Burgh: Das habe ich nie gesagt!

© SZ vom 21.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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