China:Peking Ende

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Stich ins Herz aller chinesischen Bon-Jovi-Fans: Ein Plakat wirbt für das (mittlerweile abgesagte) Konzert. (Foto: Andy Wong/AP)

Zwei verbotene Konzerte von Bon Jovi werfen die Frage auf: Was genau ist an dem Schnulzenrocker rebellisch?

Von Jan Stremmel

Die große Frage ist: Haben wir den weichsten Hardrocker der Welt immer falsch eingeschätzt? Ist der Mann am Ende doch ein Rebell? Jon Bon Jovi hat Konzertverbot in China. Am Montag hätte seine Band in der Mercedes-Benz-Arena in Shanghai spielen sollen, am Donnerstag im Mastercard-Center in Peking. Zwei Riesenhallen, jeweils Zehntausende Plätze, die ersten China-Konzerte in der Geschichte der Band. Beide sind abgesagt. Warum? Befehl von ganz oben. Begründung? Keine. Nur Vermutungen, dazu gleich mehr.

Zunächst muss man wertfrei festhalten, dass Jon Bon Jovi zum ersten Mal so etwas wie aneckt. In mehr als 30 Jahren Bandgeschichte gab es kaum nennenswerte Skandale. Während zum Beispiel der genau gleichaltrige Axl Rose erst mit Guns'n'Roses ein paar radikale Rock-Alben aufnahm und Ruhm und Reichtum postwendend an die Wand fuhr, hat Bon Jovi skandalfrei und in aller Gemütsruhe Fußballarenen gefüllt und Platten verkauft, mehr als 100 Millionen - mit einer Mischung aus abgebürstetem Stadionrock und handwarmen Country-Balladen. Bon Jovi gilt als Saubermann unter den Rockstars, als Richtigmacher, dessen Refrains vom einfachen Leben in New Jersey handeln und nur in den extremsten Fällen mal davon, dass er sein Mädchen auf ein "Bed of Roses" legen will. Auf dem Index landet man damit natürlich nirgends - wohl aber in der Feierabend-Rotation jedes Formatradios, mutmaßlich sogar in China.

Mit dem Konzertverbot ist Bon Jovi nun allerdings schlagartig ein Schicksalsgenosse von Miley Cyrus (Konzertverbot in der Dominikanischen Republik wegen aufreizender Kostüme), Kesha (Konzertverbot in Malaysia wegen anzüglicher Texte) oder der Death-Metal-Band Cannibal Corpse (Konzertverbot in Australien, Korea, Russland wegen Gewaltverherrlichung). Ungewohnte Gesellschaft für einen wie Bon Jovi. So ein Konzertverbot in der Künstler-Vita gilt nämlich nicht unbedingt als Ausweis gehobener Qualität, aber doch einer gepflegten Radikalität. Was aber natürlich schwer zu jemandem passt, dessen erklärtes Ziel die Zuhörermaximierung ist - ein Jubiläums-Album hieß mal " 100 000 000 Bon Jovi Fans Can't Be Wrong".

Was haben die Chinesen also auszusetzen? Wo sehen die eine Rebellion? Von Zündeleien kann auf den ersten Blick keine Rede sein, im Gegenteil: Vor der anstehenden Asien-Tour veröffentlichte Bon Jovi eine eigens eingespielte Version eines berühmten chinesischen Liebeslieds - in brav einstudiertem Mandarin.

Ist der Grund fürs Verbot ein Song? Immerhin ließ das chinesische Ministerium für Kultur vor ein paar Jahren ein Lied der Backstreet Boys verbieten: "I Want It That Way", darin sah man offenbar eine Aufforderung zur Revolution. Könnte es sein, dass der Bon-Jovi-Hit "It's My Life", ebenfalls eine Hymne auf das selbstbestimmte Leben, der Zensurbehörde sauer aufgestoßen ist? Niemand weiß es, die Band äußert sich nicht, aber der britische Guardian hat eine Vermutung: Vor fünf Jahren sollen Bon Jovi auf einem Konzert in Taiwan mal ein Bild des Dalai Lama gezeigt haben. Der Rock 'n' Roll lebt.

© SZ vom 16.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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