Charles Manson und Amerika:Vom Massenmörder zur Kultfigur

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Vor 40 Jahren töteten Charles Mansons Jünger bestialisch fünf Menschen. Heute ist der Sektenführer zu einer düsteren Ikone der Gegenkultur geworden.

Die bestialischen Morde sind 40 Jahre her - doch sie beschäftigen Amerika bis heute: Mit der "kaltblütigen Hinrichtung" der hochschwangeren Schauspielerin Sharon Tate und weiteren Opfern in Los Angeles hat in den USA das Böse in der Nacht zum 9. August 1969 ein Gesicht bekommen: dunkle Augen mit einem durchdringenden Blick, umrahmt von einer wilden Haarpracht.

Charles Manson im Jahr 1986: Er beschäftigt Amerika bis heute. (Foto: Foto: AP)

Das Bild des sogenannten "Hippie"-Sektenführers Charles Manson hat sich ins Bewusstsein seiner Landsleute eingebrannt. Der im Corcoran State Gefängnis in Kalifornien inhaftierte Psychopath verkörpert für viele die dunkle Seite Amerikas. Für andere wuchs der inzwischen 74-Jährige im Laufe der Jahre zu einer Pop-Ikone. Das Geschäft boomt mit dem Mann, der über Nacht dem "Sommer der Liebe" ein Ende gesetzt hat.

In dieser Nacht schickt Sektenführer Manson vier seiner Anhänger in die Villa der 26-jährigen Schauspielerin in Hollywood. Drei Frauen und ein Mann dringen mit Bajonetten, Pistolen und Messern bewaffnet in das Haus ein, in dem die hochschwangere Tate, Ehefrau des Regisseurs Roman Polanski, sich mit ein paar Freunden aufhält. Was dann passiert, ist lückenhaft überliefert - und unfassbar: Grausam verstümmelt und mit einer Nylonschnur um den Hals wird Tate am nächsten Morgen gefunden.

"Diese Morde waren so barbarisch"

Berichten der Polizei zufolge haben die Mörder Dutzende Male auf ihren Leib sowie auf das ungeborene Baby eingestochen. Neben Tate liegt die Leiche des Starfriseurs Jay Sebring, ihres früheren Verlobten, im einem anderen Zimmer zwei weitere Freunde - auf ähnlich bestialische Weise ermordet. An die Wand haben die Mörder mit dem Blut der Schauspielerin "Pigs", Schweine, geschmiert. Im Garten liegt als fünfte Leiche die des zufällig an den Tatort gekommenen 18-jährigen Steven Parent.

Am nächsten Tag schlagen die Killer erneut zu. Diesmal wüten sie im Haus des Supermarktketten-Besitzers Leno LaBianca und seiner Frau Rosemary. In Los Angeles macht sich Panik breit. "Diese Morde waren so grausam und barbarisch", erinnert sich Vincent Bugliosi, der als Staatsanwalt 1970 die Klage gegen Manson führte, im US-Magazin Newsweek.

"Plötzlich wurden Namen von Gästelisten gestrichen oder Partys abgesagt. Niemand wusste, ob die Killer nicht unter ihnen waren. Der Verkauf von Wachhunden und Gewehren stieg drastisch an."

Drei Monate später werden Manson und neun Mitglieder seiner "Familie" verhaftet. Es folgt der längste und teuerste Prozess der US- Kriminalgeschichte. Gebannt verfolgt die ganze Welt, mit welch dämonischer Macht ein Mann eine Gruppe weißer Bürgerkinder zu kaltblütigen Mördern gemacht hat.

Manson, 1934 in Cincinnati (US-Staat Ohio) als uneheliches Kind einer 16-Jährigen geboren, hat den größten Teil seiner Jugend in Besserungs- und Haftanstalten verbracht. Als der junge Mann, dem die Behörden "fanatische Interessen" bescheinigt haben, 1967 in San Francisco eintrifft, entwickelt er sich in der Drogen- und Hippie-Szene rasch zu einem Anführer.

Mit seinen Anhängern, die er "Familie" nennt, zieht er im Frühjahr 1968 auf die Spahn-Ranch in der Nähe von Los Angeles, eine heruntergekommene Kulissen-Stadt aus den goldenen Jahren Hollywoods. Manson predigt "freie" Liebe nach seinen Vorstellungen, und er entwickelt die Idee, dass die "schwarze Rasse" die "weiße" auslöschen wolle. Doch als der Rassenkrieg im Sommer 1969 ausbleibt, entscheidet sich Manson, ihn selbst zu starten und schickt seine Killer aus, um "zu zeigen, wie man Weiße tötet."

Spirituelle Ikone

Im April 1971 werden Manson und drei seiner Anhängerinnen zum Tode verurteilt. Sieben Morde kann das Gericht ihnen nachweisen. Das Strafmaß wird ein Jahr später nach der vorübergehenden Abschaffung der Todesstrafe in Kalifornien auf lebenslange Haft reduziert. Doch Macht übt Manson auch weiter aus. Kein Gefangener in den USA bekommt soviel Fanpost wie er.

"Heute vereinnahmt fast jede moralisch verwerfliche Gruppe in Amerika, von den Satanisten bis hin zu den Neo-Nazi-Skinheads, Manson und das Gift seiner Philosophie", sagt Staatsanwalt Bugliosi. "Er ist ihre spirituelle Ikone, der Hohepriester des Anti-Establishment-Hasses."

Mit der Manson-Geschichte hat Bugliosi selber den Krimi-Bestseller aller Zeiten geschrieben: Sieben Millionen Mal wurde sein Buch "Helter Skelter" verkauft. Unzählige weitere Bücher, Filme und Hörkassetten erschienen. Und auch Manson produziert eifrig mit: Im Internet wurde jüngst ein "Charles Manson Gefängnis Polaroid mit Familienangehörigen" für 175 Dollar gehandelt. Eine Zeichnung, mit Locke und Unterschrift beglaubigt, gar für 1800 Dollar.

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