Buschfeuer in Kalifornien:Gefährliche "Sundowner"

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"Es regnet überall Asche": Menschen erleben angesichts der Buschfeuer in Santa Barbara surreale Szenen. Brenzlig wird es für sie vor allem, wenn die Sonne untergeht.

Verena Wolff

Es brennt wieder in Santa Barbara. Gerade erst warten die Schäden des letzten großen Feuers von November vergangenen Jahres halbwegs weggeräumt - und schon treibt der Wind wieder ein riesiges Feuer vor sich her, durch die Hügel an der Stadtgrenze von Santa Barbara. "Es ist furchtbar. Wir haben alle schreckliche Angst", sagte ein Anwohner am Donnerstag dem Nachrichtensender CNN.

Unberechenbare Winde: Einsatzkräfte in Santa Barbara schauen auf die Feuer, die sich ihren Weg über den Rattlesnake Mountain brennen. (Foto: Foto: AP)

Rasend schnell breitet sich das Feuer im Hinterland aus - und es hat auch schon einen Namen: "Jesusita Fire" heißt der Brand, nach dem Wanderweg durch die trockenen Hügel, auf dem es aus bislang noch ungeklärter Ursache ausgebrochen war.

Überschaubar begann alles - auf einer Fläche von knapp 80 Hektar brannte es zunächst am Mittwoch. Doch die rasenden Winde mit mehr als 100 Stundenkilometern, die extrem niedrige Luftfeuchtigkeit und die Temperaturen von 35 Grad ließen es innerhalb von 24 Stunden auf nahezu die siebenfache Größe wachsen - und die Feuer können jederzeit ihre Richtung ändern.

"Es ist ganz unheimlich hier", sagt Karin Kröger. Die 25-jährige Deutsche studiert derzeit an der University of California in Santa Barbara - und erlebt jetzt den zweiten großen Brand. "Draußen ist es ganz merkwürdig grau - und wenn man in die andere Richtung schaut, scheint die Sonne." Die lodernden Flammen kann die Studentin von ihrem Zimmer aus sehen, die Rauchsäulen sind nur etwa drei Kilometer von dem Haus entfernt, in dem sie wohnt. "Das ist einerseits sehr beängstigend, aber auch aufregend und überwältigend", sagt sie.

Vor die Tür gehen sollte man derzeit allerdings nur, wenn es dringend notwendig ist - vor allem, wenn man in der Nähe der Evakuierungszonen lebt. "Es regnet überall Asche", sagt sie. Normalerweise fährt Karin immer mit dem Fahrrad von ihrem Zimmer in die Universität, die etwa 15 Kilometer entfernt liegt. "Im Moment ist daran aber gar nicht zu denken."

Ihre Vermieterin kennt die Situation schon - aber auch für sie haben diese beiden letzten Feuer eine neue Qualität. "Die Brandsaison ist von Mitte Juni bis November", sagt die Künstlerin Colleen Kelly. Das bedeute aber nicht, dass es jedes Jahr verheerende Feuer gebe. "Aber wir wissen, dass es in dieser Zeit gefährlich werden kann, wenn alles ausgetrocknet ist."

Neu sei, dass zwei Mal innerhalb kurzer Zeit an fast derselben Stelle ein so schweres Feuer ausbrach. "Und neu ist auch, dass es so nah am Ort Santa Barbara ist", sagt sie. Die historische Mission steht bereits im Rauch, auch die Hauptstraße der Innenstadt gehört zum Haupt-Evakuierungsgebiet. Das Geschäftsleben steht derzeit still. An einen großen Brand vor etwa 20 Jahren kann Colleen sich noch gut erinnern: "Das ging aber sehr schnell und hat nicht drei Tage gedauert."

Dutzende Villen, Häuser und Apartments sind bereits von den Flammen zerstört worden, der kalifornische Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat für den Bezirk Santa Barbara den Notstand ausgerufen. Damit können schneller Geld und Personal für die Brandbekämpfung zur Verfügung gestellt werden. Zehntausende Menschen mussten ihre Häuser verlassen, weitere seien alarmiert worden, im Ernstfall schnell zu flüchten - und wer nicht freiwillig geht, wird von Polizei und Feuerwehr aus seinem Haus geholt.

In mehrere Evakuierungszonen ist die 100.000-Einwohner-Gemeinde rund 150 Kilometer westlich von Los Angeles eingeteilt. Viele Menschen haben bereits die Flucht ergriffen und sind zu Freunden oder Verwandten gezogen, die außerhalb der Gefahrenzone leben. Auch Karin und Colleen sitzen auf gepackten Koffern. "Colleen hat darauf bestanden, dass wir das Wichtigste zusammenpacken, so dass wir bei Gefahr schnell von hier weg können", sagt die Deutsche. Die Menschen seien sehr diszipliniert und beachten, was Polizei und Feuerwehr raten. "Wir haben schon zu viele Feuer erlebt - wir wissen, wie wichtig das ist", sagt Vermieterin Colleen, die mittlerweile einem Bekannten Unterschlupf gewährt, der sein Haus bereits verlassen musste.

Die Menschen konnten das Verhalten üben, beim letzten Feuer im November. Angst machen den Menschen in Santa Barbara zwei Umstände: Der Wind ist derzeit unberechenbar, dreht ständig und nimmt immer wieder an Geschwindigkeit auf. "Sundowner" heißen diese unberechenbaren Winde, die meist am Abend, zum Sonnenuntergang, aufleben. "Davor ist es immer ganz still - und das ist, was es so unheimlich macht", sagt Karin.

Und: "Wir wissen nicht, wo das Feuer herkommt." Der letzte Brand vor Weihnachten, das so genannte Tea Fire, war durch eine Unachtsamkeit von einer Gruppe Studenten entfacht worden. Sie hatten am Tea House, einem bekannten Aussichtspunkt in den Hügeln, ein Lagerfeuer gemacht und es nur mit Erde, nicht aber mit Wasser gelöscht. Erst einen Tag später entzündete die Glut den großen Brand, bei dem etwa 200 Häuser ausbrannten.

Weit mehr als 1000 Feuerwehrleute kämpfen indes seit Mittwoch gegen die Flammen, weitere wurden wegen des starken Winds und der hohen Temperaturen angefordert. Medienberichten zufolge erlitten mindestens zehn Einsatzkräfte Verbrennungen, einige von ihnen sind schwer verletzt.

Mit einem massiven Löscheinsatz aus der Luft wollten die Helfer nun die Brände in den schwer zugänglichen Hügeln und Tälern eindämmen. Auch Löschhubschrauber waren die ganze Nacht über im Einsatz - sie allerdings mussten erst aus den Nachbarstaaten Arizona und New Mexico einfliegen, in denen derzeit ebenfalls große Feuer wüten. Und als sie vor Ort waren, konnten sie wegen der teils starken Winde nicht voll eingesetzt werden.

"Die Feuerwehrleute können in der einen Minute an einem sicheren Platz sein und in der nächsten in einer gefährlichen Situation", sagte der Feuerwehrchef von Santa Barbara County, David Sadecki. Denn gerade in den Hügeln sei die Lage unberechenbar, "dort spielt der Wind mit dem Feuer", hat auch Karin auf Fernsehbildern schon beobachtet. Teils liegen die Brandherde zudem so, dass die Feuerwehrleute nur schwer oder gar nicht an sie herankommen.

© sueddeutsche.de/mit Material von AP - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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