Blizzard "Nemo":Erwachen im Eis

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Im Nordosten der USA bricht ein neuer Tag an. Jetzt zeigen sich die Folgen des verheerenden Eissturms: 80 Zentimeter Neuschnee und Windgeschwindigkeiten von bis zu 120 Kilometer lähmen das öffentliche Leben. In vielen Gegenden ist der Strom ausgefallen. Probleme mit der Stromversorgung führten zur Notausschaltung eines Atomkraftwerks.

Der Eissturm "Nemo" hält den Nordosten der USA fest in seinem eisigen Griff. Schnee türmte sich in einigen Gegenden bis zum frühen Samstagmorgen (Ortszeit) auf fast 80 Zentimeter. Teilweise erreichte der Sturm Geschwindigkeiten von 120 Kilometer pro Stunde. An einigen Orten der Ostküste fiel die gefühlte Temperatur wegen des Windes auf bis zu 32 Grad unter Null.

Mindestens ein Todesopfer forderte der Blizzard bereits. Eine 18 Jahre alte Autofahrerin habe auf schneebedeckter Straße in Poughkeepsie im Bundesstaat New York die Kontrolle über ihren Wagen verloren und einen Fußgänger überfahren, berichtete der TV-Sender CNN in der Nacht zum Samstag. Der 74 Jahre alte Mann sei nach dem Unfall ins Krankenhaus gebracht worden und dort gestorben.

In mehr als 650.000 Haushalten und Betrieben fiel Medienberichten zufolge der Strom aus, tausende Flüge und Zugverbindungen wurden gestrichen. Autobahnen und Innenstädte wirken wie verwaist. Der Schnee häufte sich in einigen Regionen bereits bis auf 30 Zentimeter an. In der Metropole Boston könnte nach Angaben des US-Wetterdienstes bis zu einem ganzen Meter Schnee fallen - so viel wie selten zuvor.

Vielerorts ließ der Schneesturm die Stromversorgung zusammenbrechen. Allein im Bundesstaat Massachusetts würden 400.000 Haushalte und Unternehmen nicht mehr mit Elektrizität versorgt, berichtete der Fernsehsender NBC unter Berufung auf die lokalen Versorger. In Rhode Island belief sich die Zahl auf rund 180.000, in Connecticut auf etwa 35.000.

Ein Atomkraftwerk wurde wegen des Blizzards abgeschaltet. Die Stromversorgung des Reaktors in Plymouth in Massachusetts sei zusammengebrochen, teilte die amerikanische Regulierungsbehörde mit. Daraufhin habe sich der Reaktor automatisch abgeschaltet. Es habe dabei aber keine Probleme gegeben. Es bestehe weder Gefahr für die Angestellten des Kraftwerks Pilgrim Nuclear Power Plant noch für die Bevölkerung, beruhigte die Behörde.

Fahrverbot angeordnet

Für fünf Nordost-Staaten wurde der Ausnahmezustand ausgerufen: Massachusetts, New York, Connecticut, Maine und Rhode Island. 5000 Nationalgardisten wurden alarmiert, einige Küstenstädte sollten evakuiert werden. In Boston durften auf Anordnung des Bürgermeisters seit Freitagnachmittag keine privaten Fahrzeuge mehr auf den Straßen sein auch der öffentliche Nahverkehr steht still.

"Wir sind kräftige Neu-Engländer und sind solche Stürme gewohnt, aber ich möchte die Menschen daran erinnern, ihren Verstand zu benutzen und von den Straßen fernzubleiben", sagte Bostons Bürgermeister Thomas Menino. Die große Mehrheit der Fahrer hielt sich daran: Auf den Straßen waren während der Hauptverkehrszeit am frühen Freitagabend nur vereinzelt Fahrzeuge zu sehen. Wer trotzdem fährt muss mit 500 Dollar (etwa 375 Euro) Strafe oder sogar bis zu Jahr Gefängnis rechnen. Die Polizei sei aber angewiesen, nicht übertrieben streng bei ihren Kontrollen zu sein, berichtete The Boston Herald.

Mehr als 5000 Flüge gestrichen

Auch in den Bundesstaaten Rhode Island und Connecticut wurden Beschränkungen für Autofahrer erlassen. Die nationale Wetterbehörde warnte, in der Nacht unterwegs zu sein, könne "extrem gefährlich, wenn nicht gar unmöglich" sein. "Bleiben Sie weg von den Straßen, bleiben Sie weg von Ihren Autos", sagte der New Yorker Bürgermeister Bloomberg. Zugleich betonte er, es gebe keinen Grund zur Panik. Es seien genügend Vorräte vorhanden.

Bereits im Vorfeld waren in der Region mehr als 5300 Flüge und alle Zugverbindungen gestrichen worden. Mehr als 60 Flughäfen seien betroffen, meldete die Webseite Flight Aware. Auch Flüge aus Deutschland an die Ostküste, etwa von Frankfurt/Main, wurden annulliert. Viele Schulen blieben geschlossen. An Tankstellen und Supermärkten bildeten sich lange Schlangen. An einigen Orten der Ostküste fiel die gefühlte Temperatur wegen des Windes auf bis zu 32 Grad unter Null. Am frühen Samstagmorgen (Ortszeit) werde der Sturm jedoch abflauen, kündigten Meteorologen an.

Der Blizzard zieht auch über Gegenden hinweg, die bereits vor rund drei Monaten stark vom Wirbelsturm "Sandy" getroffen worden waren. Damals hatte es allein in den USA mehr als 100 Tote gegeben, Hunderttausende Menschen waren wochenlang ohne Strom. Der Schneesturm könnte in diesen Regionen auch zu neuen Überflutungen führen - den Vorhersagen zufolge sollten die Schäden aber geringer bleiben als bei "Sandy".

© Süddeutsche.de/dpa/afp/Reuters/sst - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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