Bizarres Eifersuchtsdrama in den USA:Völlig losgelöst

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Nach dem Skandal um eine US-Astronautin, die offenbar eine vermeintliche Rivalin umbringen wollte, gerät die Nasa in Bedrängnis - und muss sich unangenehme Fragen gefallen lassen.

Reymer Klüver, Washington

Es ist dies eine der Geschichten, die so grotesk wirkt, dass man sie in einem Roman als völlig unglaubhaft abtun würde. Da jagt eine Astronautin, die als overachiever gilt, als eine der Besten unter den ohnehin Besten, wie besinnungslos einen Tag und eine halbe Nacht 1500 Kilometer mit ihrem Auto quer durch Amerika.

Von Mission Control in Houston, Texas, bis nach Orlando in Florida. Lisa Nowak, 43 Jahre alt, lange Haare und eine eher spröde Schönheit, trägt Astronautenwindeln, damit sie keine Zeit mit Toilettengängen verschwendet. Im Gepäck hat sie eine Perücke, einen Trenchcoat, eine Luftdruckpistole, Pfefferspray, Klebeband - und einen Hammer.

Nach Mitternacht lauert sie auf dem Flughafenparkplatz von Orlando der Frau auf, von der sie annimmt, dass sie ein Verhältnis mit einem Astronauten-Kollegen hat. Dem Mann, den auch Lisa Nowak verehrt. Mit dem sie aber nach eigener Aussage nicht einmal eine ,,romantische Beziehung'' verbindet, wie es im Polizeiprotokoll ihrer Vernehmung heißt, mit dem also offenbar nichts war außer ein bisschen Flirterei.

Sie sprüht der Frau, einer Luftwaffenoffizierin im Hauptmannsrang, Pfefferspray ins Gesicht, doch die kann fliehen und alarmiert die Polizei. Und damit nahm Lisa Nowaks bislang letzte Mission ihr abruptes Ende.

Stunden später ist sie des versuchten Mordes angeklagt. Die Polizei behauptet, dass Nowak ihre mutmaßliche Konkurrentin nicht nur zur Rede stellen wollte, wie sie ausgesagt hat. Die Ermittler glauben vielmehr, dass sie die junge Frau in deren Wohnung begleiten und dort umbringen wollte.

Nasa in Bedrängnis

Damit ist Lisa Nowak das erste Mitglied des amerikanischen Eliteclubs der Astronauten, dem ein Schwerverbrechen vorgeworfen wird. Was an sich bereits genug ist, um die Phantasie der amerikanischen Medienleute zu beschäftigen. Doch besondere Brisanz gewinnt der bizarre Fall dadurch, dass nun auch der Nasa ein paar unangenehme Fragen gestellt werden.

Etwa, wie es angehen kann, dass eine Astronautin derart ausrastet, die über Jahre darauf trainiert wurde, auch in den extremsten Stresssituationen noch kühl und überlegt zu reagieren. Oder, ob die Belastungen und der Konkurrenzdruck, dem die Astronauten ausgesetzt sind, am Ende doch zu hoch sind.

Ein früherer Direktor des Johnson Space Center in Houston, wo die Astronauten trainiert werden, bestätigte, dass es bereits auch früher Affären im Astronautencorps gegeben hat: ,,Wir hatten schon ein paar Vorfälle'', sagt George Abbey, der das Space Center zwischen 1996 und 2001 geleitet hatte. ,,Da muss man sensibel reagieren, und es nicht so weit kommen lassen, wie jetzt geschehen'', sagt er. Was ein kaum versteckter Tadel für seine Nachfolger sein dürfte: ,,Das ist doch klar, dass so etwas sich nicht über Nacht entwickelt.''

,,Wir sind konsterniert''

Die Sprecherin des Space Centers erklärte dagegen, dass das Center von der Entwicklung völlig überrascht worden sei: ,,Wir sind konsterniert'', sagte Kylie Clem. Sie erklärte, dass Astronauten Liebesbeziehungen untereinander offiziell nicht untersagt sind. Tatsächlich flog sogar mal ein verheiratetes Astronautenpaar ins All: Es waren der Astronaut Mark Lee und seine Kollegin Jan Davis 1992 an Bord der Endeavour. Sie wurden später geschieden.

Der 77-jährige Alt-Astronaut Buzz Aldrin beklagt indes das Klima unter den Astronauten der Nasa: ,,Es gibt einfach zu viel Konkurrenz'', sagte er auf CNN. Den Astronauten werde eingetrichtert, die Nasa nur nicht zu blamieren, dann aber würden sie weitgehend allein gelassen. ,,Ein bisschen mehr Aufsicht wäre wohl nicht schlecht'', sagte der Astronaut, der bei der ersten Mondlandung als Zweiter den Erdtrabanten betreten hatte.

Es ist nicht so, dass es keine Anzeichen gegeben hätte, dass Lisa Nowaks Leben aus dem Ruder laufen könnte. In einem Nasa-Interview vor ihrem Raumflug an Bord der Discovery beklagte sie, zu wenig Zeit für sich und ihre Familie zu haben. "Aber ich glaube, dass es das Opfer wert ist", beeilte sie sich da hinzuzufügen. So wie sie wohl glaubte, dass es die Nasa von anständigen Astronauten erwartet.

"Wenn man nichts erforscht und keine Risiken eingeht, bleibt alles so, wie es ist", sagte sie. Im November flog im Haus der Nowaks am Ende einer kleinen Sackgasse, wie sie für Amerikas gepflegte Vorstädte so typisch sind, Geschirr an die Wand. Ein Nachbar alarmierte die Polizei. Vor ein paar Wochen trennte sie sich dann nach 19-jähriger Ehe von ihrem Mann. Die beiden haben einen 15-jährigen Sohn und fünf Jahre alte Zwillingstöchter.

Am Dienstagabend wurde sie trotz der schweren Vorwürfe gegen die relativ niedrige Kaution von 25.500 Dollar aus der Polizeihaft in Florida entlassen. Sie muss allerdings eine Fußfessel mit einem Satelliten-Sender tragen und darf sich ihrer mutmaßlichen Konkurrentin nicht nähern. Nicht einmal Blumen, um zu zeigen, dass ihr alles leid tut, dürfe Nowak ihr senden, sagte der Untersuchungsrichter beim Haftprüfungstermin. Die Nasa hat Nowak vom Dienst suspendiert. Für dreißig Tage zunächst.

© SZ vom 08.02.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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