Berlin:Grau, aber einfallsreich

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Berlin mausert sich mit seinen Kleiderschauen zum neuen Zentrum der jungen Modeszene.

Von Constanze von Bullion

Ein paar Stunden bevor es losgeht, erinnert diese Veranstaltung noch immer an eine Riesenparty übernächtigter Studenten. Im ehemaligen Kabelwerk von Siemens in Berlin, zwischen abgeschabten Rohren und rostigen Kühlanlagen, bauen junge Männer mit struppigen Igelfrisuren Stereotürme auf, Scheinwerfer werden angeknipst, Leuchtkästen installiert und Holzbretter zu einem "Infopoint" zusammengenagelt.

Elegante Damen mit Rollkoffern tippeln durch die Halle, junge Leute mit Rucksäcken rücken an und pinnen Klamotten an die Wände einer Industriegarage.

Was sich dieses Wochenende auf einem alten Fabrikgelände im Berliner Bezirk Spandau abspielt, mag auf den ersten Blick improvisiert wirken wie eine Mitternachtsfete, tatsächlich läuft hier aber eine der erfolgreichsten Modemessen Deutschlands an.

Bread & Butter ist eine Fachbesuchermesse für Street- und Sportswear, Clubklamotten und Underground, bei der bis zum Sonntag etwa 40.000 Gäste erwartet werden. Wer feine Stöffchen von Armani und Chanel sucht, ist verkehrt bei Bread & Butter. Das hier ist eben nicht Mailand, sondern Berlin.

Insgesamt sieben Modemessen finden dieses Wochenende in Berlin statt, dazu kommen Dutzende von Partys in Clubs und Hinterzimmern, bei denen sich Designer und Modefans aus aller Welt beschnuppern sollen.

Berlin arbeitet hart und nicht ganz erfolglos daran, internationaler Modestandort zu werden - ohne sich dabei sonderlich elegant zu geben. Im Gegenteil, es ist das Unfertige, Abgerissene, Verkorkste dieser Stadt, das sich gut verkauft und den Kreativen als raubeinige Kulisse dient.

Die Modemesse "Premium" zum Beispiel, die sich ans besser verdienende, urbane Publikum richtet, präsentiert ihre 430 Labels in einem ungenutzten U-Bahntunnel unter dem Leipziger Platz.

"Berlinerklamotten" für das gemeine Volk

Im gammeligen Postbahnhof des Berliner Ostbahnhofs lassen Nachwuchsdesigner ihre Models flanieren. Modemacher aus Osteuropa, der Türkei oder Malta zeigen Kollektionen in einer alten Backfabrik.

Für das gemeine Volk gibt es "Berlinerklamotten" in Mitte. Aber auch kommerzielle Anbieter trauen sich jetzt nach Berlin: In den Messehallen zeigt ¸¸B-in-Berlin" zum ersten Mal, was im nächsten Winter in konventionellen Herrengeschäften und Kaufhäusern hängen soll.

Modestadt Berlin - das war bisher eigentlich nur ein schlechter Witz. Kaum eine Großstadt in Deutschland, in der die Menschen so lässig gekleidet, so nachlässig frisiert und so gleichgültig gegenüber ihrem Äußeren sind wie in Berlin.

Da hilft es wenig, dass unermüdlich die zwanziger Jahre beschworen werden, als auf den Bühnen der Stadt noch wilde Bananentänze aufgeführt wurden und die Damen der Hautevolee sich in extravaganten Hüllen zeigten. Heute ist Berlin arm und neigt zum Puffärmel. Aber es zieht Menschen an, die Ideen haben.

Karl-Heinz Müller ist 47, gelernter Feinkosthändler aus dem Saarland und der Kopf der Modemesse Bread & Butter, die längst zum Zugpferd unter den Berliner Schauen geworden ist.

Vor vier Jahren hat er mit zwei Freunden in Köln angefangen; 60 Aussteller hatten sie damals, jetzt sind es über 700. Fragt man Müller, wie das ging, spricht er plötzlich ziemlich viel englisch, erzählt von der "Community", von der "internationalen Communication" und davon, dass er Dinge vernetzt hat, die früher nicht zusammengehörten.

"Wir haben den Leuten keine Bockwurst in die Hand gegeben, sondern haben sie cool becatert", sagt er. "Bei uns läuft keine Kirmesmusik, da treten super DJs auf."

Bread & Butter will nicht nur Modemesse sein, sondern eine Art Ganzkörpermassage für Leute, die nach Szene riechen und Szene suchen. Fürs Auge gibt es phantasievoll dekorierte Stände, fürs Ohr die handgemixte Beschallung.

In einer Betonhalle kocht das "Borchardt", und bei "Milk & Honey", der Damensektion der Messe, locken Blumenartistinnen und eine "Aroma-DJane" die Kundschaft. All das ist ein sorgsam ausgetüfteltes Ritual, die Bread & Butter findet immerhin schon zum achten Mal statt.

Allerdings zum letzten Mal im großen Kabelwerk - im Juli wird die Erfolgsmesse nach Barcelona exportiert und soll dann jedes Jahr in eine andere europäische Stadt getragen werden.

"Mode lebt von Veränderung, da kann man nicht statisch bleiben", sagt Karl-Heinz Müller. Schließlich müssten seine Kunden auch mal andere Kulturen kennen lernen. Ein Teil der Messe immerhin bleibt in Berlin.

"Die Stadt hat eine enorme Anziehungskraft", sagt Müller. "Da ist es wichtig, dabeizubleiben."

© SZ vom 22.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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