Berlin: Gewaltexzess in der U-Bahn:Opfer enttäuscht von Justiz

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"Ein weiterer Tritt ins Gesicht": Erst wurde er brutal verprügelt, dann ließ das Gericht den Schläger frei. Das Opfer der U-Bahn-Attacke in Berlin zeigt sich enttäuscht über die Haftverschonung seines Angreifers. Das Gericht wehrt sich derweil gegen den Vorwurf der "Kuscheljustiz".

Das Opfer des brutalen U-Bahn-Angriffs vom Osterwochenende hat sich in einem Brief an die Berliner Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD) enttäuscht über die Haftverschonung für den Angreifer gezeigt.

Der Screenshot einer Überwachungskamera zeigt den Angriff auf einen 29-Jährigen im U-Bahnhof Friedrichstraße in Berlin. (Foto: dapd)

"Es ist für mich ein weiterer Tritt ins Gesicht, dass der Täter sofort wieder freigelassen wurde", schrieb der 29-Jährige in einem am Donnerstag von der Bild-Zeitung veröffentlichten Brief. "Ich kann mich an nichts mehr erinnern, aber das Tatvideo macht mich total betroffen." Er frage sich, warum die Senatorin den Staatsanwalt nicht aufgefordert habe, Beschwerde gegen die Haftverschonung einzulegen.

Der 29-jährige Berliner war am Karsamstag am Berliner U-Bahnhof Friedrichstraße von dem 18-jährigen Tatverdächtigen mit Fußtritten gegen den Kopf schwer verletzt worden. Der Angreifer stellte sich später der Polizei. Gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen, er wurde aber - da er einen festen Wohnsitz hat, zuvor nicht straffällig geworden war und aus stabilen sozialen Verhältnissen stammt - wieder auf freien Fuß gesetzt.

Die Anklage wegen versuchten Totschlags gegen den 18-jährigen Schüler soll allerdings in zwei bis drei Wochen fertig sein, hatte der Sprecher der Staatsanwaltschaft am Mittwoch gesagt.

Der Fall und das Vorgehen der Berliner Justiz sorgten für eine heftige Diskussion über den Umgang mit jugendlichen Gewalttätern. Die Berliner Justiz ging nun in einer Erklärung auf die teilweise aggressive Berichterstattung der Medien zu dem Fall ein.

Zuvor hatte die Berliner Zeitung B.Z. ein Foto des Richters veröffentlicht, der den mutmaßlichen Täter bis Prozessbeginn auf freien Fuß gesetzt hatte. Der Richter habe auf Grundlage von Recht und Gesetz entschieden und dürfe "nicht an den Pranger gestellt werden", heißt es in der Erklärung der Präsidenten von Kammergericht und Amtsgericht.

Zudem wandten sie sich gegen den Vorwurf der "Kuscheljustiz". In Berlin würden Heranwachsende im Alter zwischen 18 und 21 Jahren häufiger als in anderen Städten nach Erwachsenenstrafrecht statt nach dem milderen Jugendstrafrecht verurteilt.

Unterdessen hat sich in Berlin erneut ein brutaler Überfall in einem U-Bahnhof ereignet. An der Station Amrumer Straße im Stadtteil Wedding wurde am Donnerstagmorgen ein 21-Jähriger von drei Unbekannten angegriffen, wie die Polizei mitteilte. Die Täter schlugen den jungen Mann und verletzten ihn mit einem Messer. Als er am Boden lag, sollten sie ihm gegen den Kopf getreten haben. Er wurde durch Rettungskräfte in ein Krankenhaus gebracht. Die Täter entkamen unerkannt. Auf der Suche nach den Tätern wollen die Fahnder nun Bilder aus einer Überwachungskamera auswerten. In den vergangenen Wochen hatten in Berlin wiederholt brutale Überfälle auf U-Bahnöfen für Entsetzen gesorgt.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat vor dem Hintergrund der jüngsten Gewalttaten an U-Bahn-Stationen ein bundesweites Alkoholverbot im öffentlichen Personennahverkehr gefordert. Dies würde zu mehr Sicherheit beitragen, sagte er Spiegel Online. "Mittlerweile wurde in München und Nürnberg für die U- und Straßenbahnen ein Alkoholverbot erlassen. Dies sollte bundesweit Schule machen", sagte Herrmann.

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