Berlin:Generation Minigolf

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Neue Bahnen der Erkenntnis in der Berliner Szene: Passend zu Retro-Trend und Minijob erlebt die kleine Schwester des echten Golfs eine Wiedergeburt.

Von Constanze von Bullion

Minigolf also. Das ist ungefähr so, als würde man sich in eine Zeitmaschine setzen und zurückrasen in die Kindheit. Frank Gerdsen zum Beispiel, 30 und Arzt, steht noch keine Minute an der Bahn, da muss er schon an diesen fürchterlichen Tag denken, als er die Kontrolle über den Schläger verlor und ihn an einem Baumstamm zertrümmerte.

Minigolf liegt wieder im Trend. (Foto: Foto: dpa)

Es war keine Absicht damals, er war neun und in den Ferien im Sauerland. Zur Strafe verordneten ihm seine Eltern einen Tag Stubenarrest im Hotel. Er hat das nicht vergessen, bis heute. Mini-Golfer, sagt er, können strenge Menschen sein.

Es ist Samstagnachmittag in der Linienstraße in Berlin-Mitte, und auf einem alten Reparaturhof für Lastwagen, zwischen vollgepinselten Mauern auf einem künstlichen Sandstrand, hat sich eine Feriengemeinde der besonderen Art zusammengefunden.

Junge Leute in dicken Rollkragenpullovern dösen auf Liegestühlen in der Sonne, manche räkeln sich auf roten Riesenkissen, trinken, hören zirpende E-Musik oder schauen einfach zu, wie andere sich plagen.

Oller Autoreifen, knifflige Bahnen

Ganz einfach nämlich ist es nicht, auf Deutschlands erster "Freestyle-Minigolf-Anlage" einen Ball einzulochen. Da gibt es einen Looping aus einem ollem Autoreifen, eine blecherne Schanze oder diese kniffligen Bahnen, auf denen durch die Hosenbeine einer Jeans oder rund um Baumstämme gespielt werden muss.

Dass alles ein bisschen anders ist und doch so vertraut, das ist natürlich Programm beim Verein der "Freunde des Minigolf Mitte". Das Ziel: Minigolfen vom Mief der frühen Jahre zu befreien. "Minigolf ist ein Synonym für gepflegte Langeweile, Piefigkeit und Kleinbürgerlichkeit, darum ist es in den Achtzigern auch zu Recht untergegangen", sagt Alf Arnold.

Er ist jetzt 30 und so ein vergnügter Typ mit zerzausten Locken, der in Chemnitz geboren ist, als Sohn von Wissenschaftlern, die seine jüngste Erfindung zunächst für ziemlich nutzlos hielten.

Arnolds Mission hat das natürlich nicht aufhalten können. Angefangen hat alles im vergangenen Sommer, als er mit seinem Freund Christoph Kamps in einer der zahllosen Berliner Strandbars saß und anfing, sich zu langweilen.

Nur abhängen und trinken, das reicht nicht, fand Arnold. "In der Kommunikationswüste Berlin muss man die Menschen zusammenbringen", fand Freund Kamps. Sie haben sich Sponsoren gesucht und mehr als 30.000 Euro zusammengekratzt, haben ein vermülltes Grundstück zu einem schmucken kleinen Freiluftclub umgebaut - und ihre Idee für "hip" erklärt.

Jetzt also spielt man Minigolf in Berlin-Mitte, bis nachts um zwölf und in hellen Scharen. Zur Eröffnungsparty kamen gleich ein paar hundert Gäste, keine bierbäuchigen Familienväter natürlich, sondern Leute in zerlatschten Turnschuhen und Clubklamotten, die sich von DJs sanft berieseln ließen.

Die Entdeckung einer neuen Droge

Als die letzten Bierflaschen ausgetrunken waren, keine Wurst mehr auf dem Grill lag, und es auf dem Parcours so bitter kalt wurde, dass auch die Heizstrahler nicht mehr halfen, standen sie immer noch an den Bahnen und schoben Bälle. Als hätten sie eine neue Droge entdeckt.

Ganz so locker und lässig soll es 1927 übrigens nicht zugegangen sein, als der US-Amerikaner Garnet Carter den ersten Miniatur-Golfplatz vor seinem Hotel in Tennessee aufbaute. Eigentlich wollte er nur ein bisschen Werbung machen, aber als die Menschen in Massen anrückten und ihm den Rasen zertrampelten, ließ er aus Pflanzenfasern feste Bahnen bauen.

Die erste klassische Minigolfanlage hat dann 1953 ein Schweizer konstruiert, mit 18 Loch und diesen immer gleichen Hindernissen, die die natürlichen Bodenwellen eines Golfplatzes ersetzen sollten.

Und weil der Sport nicht nur billig war, sondern seine schlichten Regeln auch öden Wochenenden Halt geben konnten, wurde er ein Renner bei den Deutschen. Bis die Anlagen in den frühen Neunzigern verfielen und Minigolf, diese traurige kleine Schwester des echten Golfs, dem Spott anheim fiel.

Dass die Sportart nun auferstehen soll aus der kleinbürgerlichen Mottenkiste, gründlich recycelt, hat natürlich nicht nur mit dem Retro-Trend in Berlin zu tun, der alles für schick erklärt, was garantiert nicht schick ist.

Minigolf passt auch ganz gut zum Minijob und in eine Zeit, in der viele es sich jenseits der Arbeit gemütlich machen müssen. "Wer hier reingeht, kommt glücklicher wieder raus", verspricht Alf Arnold.

© SZ vom 25.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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