Belgrad:"Ein großartiger Tag"

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Farbe bekennen: Gay-Pride-Aktivisten bei der Parade am Sonntag. (Foto: Darko Vojinovic/AP)

Die serbische LGBT-Community feiert einen Triumph, weil Schwule und Lesben endlich in Ruhe ihre Parade abhalten können - mit Unterstützung der Politik.

Von Nadia Pantel

Für eine wirklich unbeschwerte Veranstaltung waren vielleicht ein paar Wasserwerfer zu viel vorgefahren, aber dennoch: Die serbische Schwulenbewegung feierte am Sonntag einen Triumph. Mehr als 300 Menschen gingen in Belgrad für sexuelle Gleichberechtigung auf die Straße. Und sie wurden dabei weder mit Steinen beworfen, noch beschimpft oder von Hooligans durch Hinterhöfe gejagt. Für die serbische LGBT-Community eine neue Erfahrung.

"Heute ist ein großartiger Tag für uns und für die Menschenrechte", sagte der serbische Autor Biljana Srbljanovic dem Nachrichtenportal Balkaninsight, während er zwischen Regenbogenfahnen durch die Hauptstadt lief. Zwar ist Homosexualität in Serbien seit 1994 kein Strafbestand mehr, von einem entspannten Umgang mit Menschen, die ihr Leben außerhalb des klassischen Mann-liebt-Frau-Modells gestalten, ist das Land jedoch noch weit entfernt. Serbische Lesben und Schwule kämpfen seit Jahren gegen Borniertheit und Unwissen an, doch bislang fehlte ihnen dabei meist die Unterstützung des Staates.

Bei der Gay Pride Parade 2010 wurden die Demonstranten von Rechtsradikalen attackiert, die ihren Zorn erst gegen die Schwulen, dann auch gegen Autos und Häuser richteten. Die Rechten zündeten Barrikaden und Autos an und marodierten Scheiben zertrümmernd durch die Straßen. In den Folgejahren ging die Stadt Belgrad dann nicht gegen die Randalierer, sondern gegen die Community vor. 2011, 2012 und 2013 durfte die Gay Pride Parade "aus Sicherheitsgründen" nicht stattfinden. Doch mit dem immer intensiver werdenden Wunsch des Premiers Aleksandar Vučić, von der Europäischen Union als mögliches Mitglied ernst genommen zu werden, änderte sich auch die Strategie der Parade gegenüber. Sie wird durch die Polizei geschützt. 2014 konnten sich Lesben, Schwule und alle anderen, die keine Lust mehr haben, wegen ihrer sexuellen Orientierung ausgegrenzt zu werden, öffentlich feiern. In diesem Jahr wollte Vučić noch weiter auf Nummer sicher gehen und ließ große Teile der Belgrader Innenstadt absperren. Belgrads Bürgermeister Sinisa Mali ging in seiner Unterstützung sogar noch weiter und schloss sich der Parade an. Premier Vučić sagte, er hätte "anderes zu tun", es sei aber "das Recht jedes Bürgers, sich sicher zu fühlen".

Auf der anderen Seite der Polizeiabsperrung sammelten sich unter anderem Vertreter der serbisch-orthodoxen Kirche. Offiziell hatte sich dieses Jahr zwar keiner der serbischen Bischöfe gegen die Parade geäußert, doch die Worte von Bischof Amfilohilje Radović aus dem September 2009 hallen noch nach. Angesichts der damaligen Parade sprach er von "Sodom und Gomorra".

© SZ vom 21.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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