Bad Reichenhall:Die große Stille nach der Katastrophe

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In Bad Reichenhall zieht langsam Ruhe ein. Am Samstag gedenkt die Stadt in einem ökumenischen Gottesdienst der Opfer des Halleneinsturzes.

Heiner Effern

An der Ruine ist eine geradezu unheimliche Ruhe eingekehrt. Die zuvor unermüdlich in der eingestürzten Eislaufhalle schuftenden Hilfskräfte sind verschwunden. Das Brummen der Motoren ist verstummt. Die Kranwagen sind abgezogen, Baggerarme ruhen im Schnee. Auf dem Schneehügel vor der Halle, von dem zahllose Live-Übertragungen der Fernsehstationen ausgestrahlt wurden, steht verloren eine letzte Kamera.

Im Rathaus von Bad Reichenhall liegt ein Kondolenzbuch aus (Foto: Foto: dpa)

Am ersten Tag nach dem vorläufigen Ende der Bergungs- und Aufräumarbeiten am Unglücksort in Bad Reichenhall sind lediglich einige Polizisten im Einsatz, die das mit einem Bauzaun gesicherte Gelände bewachen. In einer kleinen Einbuchtung der Eisengitter steht nahe des Eingangs ein kleiner Altar aus Schnee. Ein Kreuz aus Metall steckt darin, an dessen Fuß viele Kerzen brennen und Rosen liegen. Ein Zeichen der großen Anteilnahme am Schicksal der drei Frauen und der zwölf Kinder und Jugendlichen, die unter dem herabstürzenden Dach der Eissporthalle in Bad Reichenhall am vergangenen Montag ihr Leben verloren haben.

Gegen zwei Uhr am Donnerstagmorgen hatten Rettungskräfte die letzte Vermisste, eine 40-jährige Frau, tot aus der Halle geborgen. Danach beschleunigen die Arbeiter das Freilegen der kompletten Eisfläche, gehen jedoch immer noch mit Vorsicht zu Werke. Man will ausschließen, dass sich noch Opfer in der eingestürzten Halle befinden, die bisher nicht als abgängig gemeldet worden waren.

Seelische Verletzungen

Kurz nach 19 Uhr kann Landrat Georg Grabner dann den Katastrophenalarm aufheben. Er bedankt sich bei den 700 Helfern von mehr als 20 Hilfsorganisationen und bei den vielen Privatleuten, die spontan Hilfe angeboten und geleistet hatten. Der Landrat weiß, was nach diesen schlimmen Tagen bei ihm und vielen anderen nun folgen wird: "Eine innere Leere."

Auch Kreisbrandrat Rudi Zeif, der von Montag bis Donnerstag nur fünf Stunden geschlafen hat, fühlt sich jetzt nur noch müde. Er will sich nach dem Einsatz in die Obhut des Kriseninterventionsteams begeben, um diese vier Tage unter emotionaler Höchstbelastung besser verarbeiten zu können. Diese Möglichkeit steht neben den Angehörigen und Betroffenen auch allen Rettungskräften offen. Zeif, der die Bergungsarbeiten geleitet hat, hebt noch einmal die "reibungslose und hervorragende Zusammenarbeit" aller Beteiligten hervor. Es grenze an ein "Wunder", dass von den vielen Helfern, die oftmals ihr eigenes Leben riskiert hatten, kein einziger Verletzungen erlitten habe - "abgesehen von den seelischen".

Während die letzten Arbeiten zur Beseitigung des Hallendachs noch laufen, werden erste Details der Ermittlungen bekannt. Nach den Ergebnissen der Obduktion wurden alle 15 Opfer unmittelbar durch den Einsturz des Daches getötet. "Keines starb an Unterkühlung oder Erfrierungen", sagt ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Traunstein. Als letzte Überlebende war am Montag gegen 22.45 Uhr ein fünfjähriges Mädchen leicht verletzt geborgen worden. Inzwischen haben die Ermittler bereits mehr als 40 Aktenordner mit Material über die Halle sichergestellt.

Oberbürgermeister weist Vorwürfe zurück

Mit Ergebnissen ist jedoch nicht vor dem kommenden Frühjahr zu rechnen, sagt der Traunsteiner Polizei-Chef Hubertus Andrä. Laut einem Polizeisprecher wird aber keine Sonderkommission gebildet. "Die halbe Polizeidirektion wird sich damit befassen. Man muss alle Teile der Halle wieder zusammensetzen. Das ist zu vergleichen mit dem Arbeiten nach einem Flugzeugabsturz", heißt es.

Der Bad Reichenhaller Oberbürgermeister Wolfgang Heitmeier wehrt sich auch am Donnerstag gegen Vorwürfe, die Stadt hätte das marode Dach der Halle längst sanieren müssen. Heitmeier zitiert dazu erstmals aus einem Gutachten, das der Stadtrat im Jahr 2003 im Rahmen einer geplanten Sanierung hatte erstellen lassen. "Die Tragkonstruktion - sowohl Holzkonstruktion als auch Stahlbetonkonstruktion - befindet sich in einem allgemein als gut zu bezeichnenden Zustand", heißt es in dem Papier eines örtlichen Ingenieurbüros für Bauwesen. Es seien lediglich Wasserflecken an der Holzkonstruktion festgestellt worden, die jedoch auf die Qualität und die Tragfähigkeit keinen Einfluss hätten.

Heitmeier drückt zum Ende der Bergung den Betroffenen nochmals seine Anteilnahme aus und bedankt sich bei den Einsatzkräften. Im Rathaus liegt ein Kondolenzbuch aus. In der Stadtverwaltung treffen mittlerweile Beileidsbekundungen aus der ganzen Welt ein. Am heutigen Samstagvormittag halten katholische und evangelische Geistliche aus Bad Reichenhall nahe der Unglücksstelle einen ökumenischen Gottesdienst für Angehörige, Freunde, Bekannte und die Einsatzkräfte ab.

Der offizielle Trauergottesdienst wird am Dienstag, 10. Januar, um 18 Uhr in der Bad Reichenhaller Pfarrkirche St. Zeno stattfinden. Der Münchner Erzbischof Friedrich Kardinal Wetter wird die Messe gemeinsam mit der evangelischen Regionalbischöfin Susanne Breit-Kessler zelebrieren. Auch Ministerpräsident Edmund Stoiber wird zu der Trauerfeier erwartet.

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