Ausrottung des Pika-Hasen:Pikachus Vorbild in Gefahr

Lesezeit: 2 min

Die Anime-Figur Pikachu ist nach wie vor beliebt, wie diese Parade in Tokio im Sommer vergangenen Jahres zeigt. Doch das echte Tier, dem Pikachu nachempfunden ist, wird massiv bekämpft. Vor allem in China. (Foto: AFP)
  • Die chinesische Regierung versucht, den Pika-Hasen auszurotten.
  • Sie macht das Vorbild für die berühmte Anime-Figur "Pikachu" für Umweltschäden verantwortlich.
  • Forscher aus den USA bezweifeln dies allerdings.

Von Manuel Stark

Es ist wohl eine der beliebtesten Figuren aus den neunziger Jahren. Das gelbe mausähnliche Tier mit den schwarzen Knopfaugen, spitz zulaufenden Ohren und roten Punkten auf den Wangen. Pikachu eroberte als treuer Gefährte des Abenteurers Ash Ketchum in der Anime-Serie Pokémon die Herzen einer ganzen Generation. Von Japan aus verbreitete sich die TV-Serie über die ganze Welt und war bald auch in deutschen Kinderzimmern in Form von Video-Spielen, DVDs, Sammelkarten oder Kuscheltieren zu finden. Das asiatische Time-Magazine veröffentlichte zur Zeit des Hypes eine Liste mit den "Best People of 1999". "Pikachu" stand damals auf Platz zwei. Nur knapp übertroffen vom angesagten Popsänger Ricky Martin.

Doch trotz aller Berühmtheit droht dem Vorbild der gelben Kultfigur nun Gefahr. Wie die britische Zeitung Independent berichtet, arbeitet die chinesische Regierung mit Nachdruck daran, den Pika, einen kleinen pelzigen Nager, der zur Familie der Pfeifhasen gehört, auszurotten.

Plattform X

Die SZ-Redaktion hat diesen Artikel mit einem Inhalt von X Corp. angereichert

Um Ihre Daten zu schützen, wurde er nicht ohne Ihre Zustimmung geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir Inhalte von X Corp. angezeigt werden. Damit werden personenbezogene Daten an den Betreiber des Portals zur Nutzungsanalyse übermittelt. Mehr Informationen und eine Widerrufsmöglichkeit finden Sie untersz.de/datenschutz.

Der mausähnliche tibetische Pika, lateinisch Ochotona thibetana, ist nach Meinung der chinesischen Behörden eine Pest, die schädlichen Einfluss auf das Weideland ausübt. Recherchen der Arizona State Universität haben ergeben, dass in China bereits seit 1958 versucht wird, Pika-Populationen zu vernichten. Seitdem ist es erlaubt, großflächig Gift gegen die Tiere einzusetzen.

Gift auf 360 000 Quadratkilometern

Erst in den vergangenen zehn Jahren allerdings fand das harte Vorgehen immer mehr Befürworter innerhalb der chinesischen Regierung. Nach Informationen des Independent wurde seit 2006 allein in der chinesischen Provinz Qinghai eine Fläche von mehr als 360 000 Quadratkilometern mit Zinkphosphat behandelt - ein Areal, das in etwa der Fläche der Bundesrepublik Deutschland entspricht. Dass der geruchslose weiße Stoff international als umweltgefährlich eingestuft wird, scheint keine Rolle zu spielen. Ende 2014 gab die chinesische Regierung einen Zuschuss von umgerechnet etwa 29,4 Millionen Euro, um das Gift über weitere 110 000 Quadratkilometer zu verteilen.

Diese Praxis kritisieren Forscher wie Maxwell Wilson und Andrew Smith von der Arizona State University in den USA. Sie sind der Meinung, dass der Pika das Ökosystem nachhaltig unterstützt. Den Vorwürfen, der Pika mache Weideflächen unbrauchbar, halten sie Erkenntnisse ihrer eigenen Forschung entgegen. Das Gegenteil sei der Fall: Die Pika-Pfeifhasen seien für die Umwelt nahezu unersetzlich, vor allem wenn es darum ginge, für eine sinnvolle Wasserverteilung zu sorgen, schreiben sie in der amerikanischen Wissenschaftszeitschrift Ambio.

Durch ihre vielen Tunnel schaffen Pikas im ansonsten festen Erdreich eine Art natürliche Kanalisation. Gerade während der wasserreichen Monsunstürme im Sommer werde dieser Vorteil deutlich. Ohne die Tunnelsysteme würden weite Teile des Landes überflutet werden.

Liebe der Fans - aber nur zur Anime-Figur

Dem Protest von Wilson und Smith gingen Beschwerden weiterer Wissenschaftler voraus, was schon die mongolische Regierung dazu veranlasste, ihre Offensive gegen die Pikas einzustellen.

Die chinesische Regierung hingegen zeigt sich weiter unbeeindruckt. Sie nutzt den Pika, um zu erklären, warum große Wasserreservoirs zunehmend schwinden: Das Wasser des Qinghai-Plateaus speist bisher zehn der größten Flüsse des asiatischen Kontinents, die nach Indien, Nepal, Thailand, Pakistan und andere Länder fließen. 20 Prozent der Weltbevölkerung werden dadurch versorgt. Allerdings führen die Flüsse immer weniger Wasser. Dem will die chinesische Regierung entgegenwirken, auch wenn die von ihr ergriffenen Maßnahmen wissenschaftlichen Erkenntnissen widersprechen.

Angesichts der Popularität von Pikachu könnte man nun eine große Twitter-Kampagne erwarten, um das Tier zu retten, das als Vorlage für die geliebte Anime-Figur diente. Eine Online-Petition etwa, die für den Fortbestand der Pika-Hasen eintritt oder zumindest einen veritablen Shitstorm. Doch nichts dergleichen. Wenige dutzend Tweets von Tierschützern bleiben bisher die einzige Reaktion. Anscheinend erstreckt sich die Liebe der Fans zum gelben Anime-Nager offenbar nicht auf sein Pendant im echten Leben.

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: