Astronomie:Entfernter Verwandter

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Fotos von Exoplaneten gibt es nicht, darum lassen bei der Nasa Zeichner ihre Fantasie spielen. (Foto: dpa)

Er heißt Kepler 452-b und kreist seit sechs Milliarden Jahren um eine Sonne: Die Nasa hat einen Planeten entdeckt, der unserer Erde sehr ähnlich ist. Besitzt er eine Atmosphäre? Könnte dort Leben existieren?

Von Christopher Schrader

Die Aufregung hat Kepler-452b noch nicht erreicht. Falls dort jemand irdische Nachrichten verfolgt, hört er etwa im Jahr 3415 hiesiger Zeitrechnung vom Coup, den die Nasa wieder gelandet hat. Sie hat den Exoplaneten Kepler-452b nämlich zum großen Cousin der Erde erklärt. Für den Status als Bruder reicht es noch nicht, aber immerhin: ein enger, wiewohl entfernter Verwandter. Auch andere Experten bestätigen inzwischen, etwa das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der Planet sei der erdähnlichste, den Teleskope bisher aufgespürt haben.

Neun weitere Himmelskörper warten schon auf ihre Chance, den Titel zu übernehmen

Diese Wertung kann man so oder so auslegen. Für den Nasa-Wissenschaftler Jon Jenkins überwiegt die Euphorie. "Es erzeugt Ehrfurcht, wenn man bedenkt, dass dieser Planet seit sechs Milliarden Jahren in der bewohnbaren Zone seines Sterns kreist." Also bekommt Kepler- 452b nach den Daten der Forscher ungefähr so viel Licht und Wärme, dass Wasser auf seiner Oberfläche flüssig sein könnte. "Da war genug Gelegenheit, dass Leben entstehen konnte, falls es die richtigen Zutaten und Bedingungen gab." Und genau diese Einschränkung macht andere Experten skeptisch. Über die "Zutaten und Bedingungen" weiß die Nasa kaum etwas. Die verfügbaren Daten stammen vom Weltraumteleskop Kepler, das von 2009 bis 2013 etwa 190 000 Lichtpunkte im Sternbild Schwan anstarrte, um winzige Helligkeits-Veränderungen zu erkennen. Sie können entstehen, wenn ein entfernter Planet vor seinem Stern vorbeizieht. Bei Kepler-452b ist das viermal im Abstand von jeweils 385 Erdtagen passiert; der Stern wurde dadurch zehn Stunden lang um 0,2 Promille dunkler. Die Analyse ergab, dass der Exoplanet etwa 60 Prozent größer sein muss als die Erde, etwa im gleichen Abstand um seinen Stern kreist und von ihr zehn Prozent mehr Licht bekommt als die Erde.

Was allerdings fehlt, sind Angaben über die Masse von Kepler-452b. Daraus ließe sich über die Dichte ablesen, ob er vermutlich eine felsige Oberfläche hat. Die Wissenschaftler geben dafür eine Wahrscheinlichkeit von 49 bis 62 Prozent an. Zudem ist der Exoplanet 1400 Lichtjahre entfernt, zu weit, um mit heutigen Instrumenten das Licht aufzufangen, das er reflektiert. Darin gäbe es womöglich Hinweise darauf, ob er eine Atmosphäre besitzt und woraus sie besteht.

Das Forscherteam um Jon Jenkins vermag nicht einmal auszuschließen, dass Kepler-452b seine beste Zeit hinter sich hat. Ihren Daten zufolge war der Planet nur die ersten fünf Milliarden Jahre in der bewohnbaren Zone. Seither kreist er in einem Bereich, den Wissenschaftler die "optimistisch bewohnbare Zone" nennen.

Aber das macht vielleicht nichts: Immerhin gibt es neben mittlerweile 1879 bestätigten Exoplaneten allein in den Kepler-Daten neun Himmelskörper, die den Titel "erdähnlichster" bald übernehmen könnten.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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