Aschenputtel:Die Schlechten ins Kröpfchen

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Zeitgemäßeres Frauenbild? Emma Watson als Belle in "Die Schöne und das Biest" von Bill Condon (Filmstart im März). (Foto: Disney/AP)

Die britische Schauspielerin Emma Watson hat die Rolle des Aschenputtel abgelehnt, weil sie sich mit der Frauenfigur nicht identifizieren kann. Ein geradezu unverzeihlicher Fehler.

Von Martin Zips

Die Schauspielerin Emma Watson, 26, kann sich mit der Frauenfigur des Aschenputtels nicht identifizieren. In einem Interview sagte sie, vielmehr bevorzuge sie Typen, die "neugierig, mitfühlend und aufgeschlossen" seien. Deshalb habe sie es abgelehnt, Aschenputtel zu spielen, die Rolle der Belle in "Die Schöne und das Biest" aber angenommen, wie ab März in deutschen Kinos zu sehen sein wird.

Kein Problem damit, falls sich Watson nicht mit der Rolle vom Schwarzwaldmädel hätte identifizieren können, mit Sissi oder dem Halbblut Apanatschi. Kein Problem, wenn sie, die Darstellerin der Hermine in den Harry-Potter-Filmen, aus sehr nachvollziehbaren Gründen eine Einladung ins Dschungelcamp ausgeschlagen hätte, einen Moskau-Trip mit Donald Trump oder eine Nebenrolle in "Nymphomaniac 3" von Lars von Trier. Was sollte sie auch dort? Watson ist UN-Sonderbotschafterin für Frauenrechte sowie Gründerin eines feministischen Lesezirkels. Nur: Was hat sie gegen Aschenputtel?

Neugieriger, mitfühlender und aufgeschlossener kann eine Frau doch gar nicht sein. Zielgerichtet sowieso, weil sie es allen Widerständen zum Trotz auf den Ball des Prinzen schafft. Auch selbstbewusst, weil sie mit dem Königssohn tanzt und später dem Druck der Stiefmutter und der Stiefschwestern standhält, bis endlich bewiesen ist, dass nur ihr der Schuh passt, während sich der eifersüchtige Patchwork-Pöbel in seiner Blödheit bereits Ferse und Zeh abgeschnitten hat, um da doch noch irgendwie reinzupassen. Tatsächlich haben Belle und Aschenputtel/Cinderella viele Gemeinsamkeiten: Ihr Konflikt mit den neidischen älteren (Stief-)Schwestern; die Heirat mit einem Prinzen; ihre Bewährung in einer eigentlich als ausweglos erscheinenden Situation. Beide sind tolle Frauen. Da muss Watson also etwas falsch verstanden haben.

Und sie ist nicht allein. Immer wieder ist zu hören oder lesen, das in alten Märchen vermittelte Frauen- oder Familienbild sei nicht mehr zeitgemäß. Die Sprache sei überholt, die Erzählungen rätselhaft. Mal wird kritisiert, Unwesen wie in "Der Teufel mit den drei goldenen Haaren" machten Kindern Angst. Dann wird gegeißelt, die Grimm'sche Geschichte von einer Frau, die mit sieben kleinen Männern zusammenlebt, sei selbst unter dem Gesichtspunkt der Inklusion eher schwierig. Das Gerücht wiederum, Wölfe würden Seniorinnen verschlucken, sei eine tierrechtswidrige Fake News. Und, natürlich, Aschenputtel - vom Jahr 2017 aus betrachtet - viel zu wenig Feministin.

Es soll also hier um die Ehrenrettung einer Frauenfigur gehen, die von Disney bis Kästner, von Eugen Drewermann bis Jerry Lewis, von Strauss bis Prokofjew so viele inspiriert hat. Als "La Cenerentola" feierte Aschenputtel vor exakt 200 Jahren ihre Uraufführung als Oper von Gioacchino Rossini im Teatro Valle in Rom, gerade erst widmete ihr die elf Jahre alte britische Komponistin Alma Deutscher eine weitere, in Wien dieser Tage erstmals inszenierte Oper. Und in der tschechischen Fernseh-Version ("Tři oříšky pro Popelku", "Drei Haselnüsse für Aschenbrödel") wurde sie zum Weihnachtsklassiker. Sogar der ehemalige UN-Generalsekretär Ban Ki-moon fühlte sich kurz vor dem Ende seiner Amtszeit kürzlich "ein bisschen wie Aschenputtel", denn: "Morgen um Mitternacht wird sich alles ändern."

Tatsächlich, so stellt der ausgelaugte Weltbürger dieser Tage fest, kann sich von Tag zu Tag wirklich alles ändern. Nachkriegsordnungen, Bündnisse, Partnerschaften. So viel steht auf dem Spiel. Doch egal, was passiert - das zeigt das großartige Aschenputtel - Rechtschaffenheit lohnt sich immer. Das macht doch Hoffnung.

© SZ vom 18.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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