Antisemitismus in der DDR:Hetze nach Feierabend

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Antisemitismus kam in der DDR offiziell gar nicht vor. Die Ausstellung "Das hat's bei uns nicht gegeben" zeigt, wie weit Realität und antifaschistisches Ideal auseinander klafften.

Constanze von Bullion

Es ist nicht bekannt, wie der Herr heißt, der über dem Familienvaterbäuchlein einen gepflegten Bart trägt, dazu ein solides Hemd und eine Krawatte, auf die jemand SS-Runen gestickt hat. Am Oberarm trägt er ein Hakenkreuz, und so steht er dann und guckt in die Kamera: ein Biedermann, ein DDR-Bürger, ein Neonazi, der unfreiwillig komisch wirkt - und ein bisschen so, als sei beim Kostümfest die Verkleidung missraten.

So was hat's doch gegeben: Antisemitismus-Ausstellung in Berlin. (Foto: Foto: dpa)

Das Bild des Unbekannten stammt aus dem Fundus des Staatssicherheitsdienstes der DDR, es zeigt ein Mitglied der "SS-Division Walter Krüger", die sich Ende der 80-er Jahre im mecklenburgischen Wolgast formierte. Eine Truppe war das, die gern nach Feierabend zusammentrat und die sozialistische Ordnung störte. Mal hängten die selbsternannten Nazi-Helden einem jüdischen Kind einen Strick um den Hals, als wollten sie es aufhängen. Mal zogen sie ihre nackten Opfer mit einem elektrischen Viehtreiber.

"Das hat's bei uns nicht gegeben", heißt die Ausstellung, die am Mittwoch im Roten Rathaus von Berlin eröffnet wurde. Sie handelt vom Antisemitismus in der DDR, also von einem Thema, das in etlichen ostdeutschen Familien bis heute ein Tabu geblieben ist. Das zumindest erzählen die Schüler, die die Ausstellung vorbereitet und in acht ostdeutschen Städten zusammengetragen haben, was in der DDR so alles über die Juden, den Holocaust und Israel geredet wurde.

"Wir hatten das dringende Gefühl, dass es da Aufklärungsbedarf gibt", sagte Anetta Kahane vor der Eröffnung. Die Gründerin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die seit Jahren Jugendliche und Behörden im Kampf gegen Rechtsextremismus vernetzt, hat die Ausstellung initiiert. Insgesamt 76 Schüler haben dann angefangen, in Stadtarchiven und alten Zeitungen zu wühlen, sich durch Stasi-Akten zu lesen - um auch mit den eigenen Eltern in heftigen Streit zu geraten:

"Das ist so weit voneinander weg, was erzählt wird und was wirklich war", sagt die Schülerin Polly Tielebein, deren Eltern aus der DDR kommen und keineswegs einverstanden waren mit dem, was ihre Tochter zutage förderte. Mit Schülern der Berliner Nelson-Mandela-Schule hat Polly Tielebein das Verhältnis der DDR zu Israel und den Palästinensern erforscht. "Es wird nie das Wort Terrorismus erwähnt", sagt sie. "Es wird nur vom Freiheitskampf geredet."

Was sich hinter den Sprachregelungen der DDR verbarg, die sich per se als antifaschistisch verstand, ist nun sorgfältig dokumentiert: 1946 wird in Salzwedel ein jüdischer Friedhof geschändet. 1947 werden Grabplatten des jüdischen Friedhofs Berlin-Weißensee zerstört. 1959 spielen Schüler in Karl-Marx-Stadt ,,SS und Juden''. 1960 schmiert einer in Suhl "Juden raus!" auf das Wappen der DDR. 1975 applaudieren Görlitzer FDJ-ler NS-Führern in einem Film, FDJ-Funktionäre gucken zu. 1983 droht jemand den "Judenschweinen" einer Ost-Berliner Synagoge: "Wir werden euch ausrotten."

Die Strafverfolger der DDR bemühten sich, solche Vorfälle, die es offiziell nicht gab, in aller Stille zu verfolgen. Viel lauter ging es indes bei der Wortschlacht der SED gegen Israel zu. Dem jüdischen Staat warf man gern mal den Bau von ,,Konzentrationslagern'' vor. Dass die Palästinenser, die die DDR unterstützte, nur im Kontext ,,Terrorismus'' auftauchen, gehört zu den kleinen Schwächen der Schau. Zu ihren Stärken gehören Bilder wie die aus Jamlitz. In dem brandenburgischen Dorf fand man 1971 Hunderte von Knochen jüdischer NS-Opfer. Bevor sie verbrannt wurden, notierte der DDR-Generalstaatsanwalt: ,,Die Opfer weisen zum Teil viel Zahngold auf. Dieser Faktor darf bei der Umbettung nicht ganz unbedacht bleiben.'' Die Herren von der Stasi entfernten ,,1080 Gramm Zähne und Zahnprotesen''. Die Spur des Goldes verliert sich in den Archiven.

© SZ vom 12.04.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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