Anruf bei . . .:Hartmut Priess, Bassist

Lesezeit: 3 min

"Das geht nicht mehr": Hartmut Priess über den Bruch der Bläck Fööss mit dem 11.11. auf dem Kölner Heumarkt. (Foto: oh)

44 Jahre lang sind Bläck Fööss am 11.11. auf dem Heumarkt aufgetreten - nun wurde bekannt, dass die Band für dieses Jahr abgesagt hat. Warum bloß?

Interview von Friederike Zoe Grasshoff

Die Jecken sind zu jeck geworden: 44 Jahre lang haben Bläck Fööss zur Karnevalseröffnung am 11. 11. auf dem Heumarkt aufgetreten - nun wurde bekannt, dass die Kölner Band für dieses Jahr abgesagt hat. Die sieben Bandmitglieder wollen bei dem traditionellen Irrsinn nicht mehr mitmachen. Warum? Ein Anruf bei Hartmut Priess, 73. Er spielt Bass und Gitarre und ist Gründungsmitglied der Band, seit 45 Jahren steht er auf der Bühne.

SZ: Herr Priess, was ist denn passiert?

Hartmut Priess: Aktuell ist gar nichts passiert. Wir haben uns lange Gedanken gemacht, bis wir endgültig Nein gesagt haben. Die Veranstaltung zum 11. 11. ist in den letzten Jahrzehnten immer größer geworden. Immer mehr Menschen auf dem Heumarkt und in der ganzen Stadt - eigentlich kann das doch keiner mehr beherrschen. Schon 2007 haben wir zu dem Irrsinn auf dem Heumarkt einen Song rausgebracht, "Ävver bitte, bitte met Jeföhl". Da steht eigentlich alles drin.

"Schirve, Splitter, Schläjereie, stinkbesoffene Pänz. Uns Altstadt es en Müllkipp, do kritt mer doch de Krämp."

Genau. Es geht ja nicht nur um den eingezäunten Platz: Drum herum und in den Seitenstraßen steht alles dicht an dicht, das kann dann auch der Veranstalter nicht mehr kontrollieren. Man will ja nicht wissen, was abseits der Absperrungen so alles passiert. Es sind einfach zu viele Menschen - und es ist mittlerweile auch sehr gefährlich. Wir haben schon vor Jahren aufgehört, an Weiberfastnacht auf dem benachbarten Alter Markt zu spielen. Auch diese Entscheidung haben wir uns damals nicht leicht gemacht, aber jetzt sagen wir: Das geht nicht mehr, wir können das nicht verantworten. Die Leute, vor allem die jungen, trinken unkontrolliert Alkohol. Man watet durch Scherben. Das ist alles andere als angenehm.

Wieso haben Sie die Veranstaltung dann erst jetzt abgesagt?

Wir hängen da ja auch dran. Und wir haben es ja auch immer wieder probiert. Aber die letzten zwei Jahre sind wir mit unserem Wagen nicht mal mehr über die Deutzer Brücke gekommen. Das sind dann so die Dinge, die das Fass zum Überlaufen bringen. Und es ist irgendwann auch eine Frage von Vermittelbarkeit: Auf so einem Riesenplatz ist ein schöner Kontakt mit dem Publikum gar nicht mehr möglich.

Aber der Irrsinn des Exzesses, das Wilde und Anarchische - das gehört doch alles zum Karneval dazu.

Ja, aber das hat seine Grenzen. Für uns bitte nicht mehr. Wir verbieten niemandem, dahin zu gehen. Und wir wollen ja trotzdem dabei sein, wir spielen dann am 11. 11. am Tanzbrunnen und nicht in der Innenstadt. Da geht es einfach etwas ruhiger zu. Wir bekommen in der Stadt und von den Fans auch viel Bestätigung für unsere Absage. Hinter den Kommentaren, die auf Facebook zu lesen sind, steht auch der Wunsch, sich unsere Musik wieder in entspannterer Atmosphäre anzuhören.

In einer Mitteilung schreibt die Band, dass das Geschehen am Heumarkt mit dem Kölner Karneval kaum noch was zu tun hat.

Na ja. Was Karneval ist und was nicht, darüber streiten in Köln ja die Gelehrten. Und solange es in einem lockeren Rahmen bleibt, ist es ja auch schön. Viele Kölner sagen aber: Auf den Heumarkt, da gehen wir nicht mehr hin. Auch der Rosenmontagszug ist völlig überfüllt. Bei einem Konzert in Paderborn haben uns mal ein paar Mädels gefragt, ob wir uns dann am 11. 11. in Köln sehen. Ich hab zu denen gesagt: Um Himmels willen - was wollt ihr in Köln? Was ihr sucht, werdet ihr nicht finden.

Heißt das: Nie wieder Heumarkt?

Nie soll man ja nie sagen, das wissen Sie ja. Ich höre gerne zu, wenn jemand eine Lösung für die offensichtlichen Probleme findet. Und grundsätzlich sind wir da immer gerne aufgetreten. Ich habe auch keine Lösung parat - vielleicht dezentralisieren, die Schauplätze mehr über die Stadt verteilen? Aber am Ende wollen ja doch wieder alle Gruppen auf die Hauptbühne.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: