Anklage-Erhebung:Wende im Kampusch-Fall

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Der Freund des Entführers von Natascha Kampusch wird sich doch vor Gericht verantworten müssen - weil er Priklopil vor der Polizei geschützt haben soll. Eine Mittäterschaft wird dagegen ausgeschlossen.

Im Entführungsfall Natascha Kampusch wird es nun doch zu einer Anklage kommen. Der Freund des Kampusch-Entführers Wolfgang Priklopil, Ernst H., werde sich vor Gericht wegen "Begünstigung" verantworten müssen, berichtete die Zeitung Die Presse. Ihm wird zwar nicht vorgeworfen, sich an der Entführung von Natascha Kampusch beteiligt zu haben. Jedoch habe er seinen Freund Priklopil absichtlich der Strafverfolgung entzogen. Die Straftat der Begünstigung nach österreichischem Recht entspricht der Strafvereitelung nach dem deutschen Strafgesetzbuch.

Das Blatt berief sich auf Angaben der Oberstaatsanwaltschaft Wien. Ernst H. wird beschuldigt, er habe den Entführer am 23. August 2006 getroffen und in sein Auto einsteigen lassen - kurz nachdem Kampusch die Flucht gelungen war. So habe er Priklopil, der kurz danach Suizid beging, vor der Verfolgung durch die Polizei geschützt.

Bei dem Treffen soll der Entführer vor seinem Freund eine Art "Lebensbeichte" abgelegt haben. Anschließend warf er sich vor einen Zug. Konkret wird Ernst H. deshalb vorgeworfen, er habe Priklopil "der Verfolgung (...) absichtlich zum Teil entzogen". Die Anklage wird in den nächsten Tagen eingebracht. Dem 45-Jährigen drohen bis zu zwei Jahre Haft.

"Bauernopfer als Rechtfertigung"

Die Anklage kommt überraschend, da der Fall eigentlich bereits abgeschlossen war. Auf Anweisung der Oberstaatsanwaltschaft wird er nun wieder aufgerollt. Ernst H.'s Anwalt Manfred Ainedter betonte, der Tatbestand der "Begünstigung" sei weder subjektiv noch objektiv erfüllt. Der Beschuldigte sei "ein Bauernopfer, mit dem man nun versucht, mit Gewalt im Nachhinein die Neuauflage der Untersuchungen zum Fall Kampusch zu rechtfertigen", zitierte die Nachrichtenagentur APA den Juristen.

Natascha Kampusch war von Priklopil achteinhalb Jahre in einem Kellerverlies im niederösterreichischen Strasshof gefangen gehalten worden. Eine Mittäterschaft von Ernst H. schließen die Behörden jedoch weiter aus. Priklopil gilt als Einzeltäter.

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