Airbus: Verhalten im Notfall:"Da ist etwas Verrücktes..."

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Ein schwarzes Mysterium: Wie sich die Verwirrung nach einem Ausfall der Instrumente auf die Piloten auswirken kann, zeigen die Cockpit-Aufzeichnungen früherer Unglücke.

Nicolas Richter

Wenn vor den Cockpit-Fenstern alles schwarz ist, müssen sich Piloten auf ihre Instrumente verlassen. Sie haben nachts, besonders über dem Meer und erst recht bei schlechtem Wetter, keine andere Möglichkeit, sich zu orientieren. Fallen die Instrumente aber aus, endet der Flug meist katastrophal. Noch ist unklar, warum Air-France-Flug 447 abgestürzt ist, aber die automatischen Fehlermeldungen der Maschine lassen erkennen, dass es in dem Airbus widersprüchliche Angaben zur Fluggeschwindigkeit gab.

Fallen die Instrumente einer Maschine aus, endet der Flug meist katastrophal. Noch ist unklar, warum Air-France-Flug 447 abgestürzt ist, aber die Fehlermeldungen lassen erkennen, dass es in dem Airbus widersprüchliche Angaben zur Fluggeschwindigkeit gab. (Foto: Foto: dpa)

Wie sich solch eine Verwirrung auf die Piloten auswirken kann, zeigen die Cockpit-Aufzeichnungen von zwei früheren Flugzeugunglücken - dem Absturz des Birgenair-Flugs 301 im Februar 1996 von der Dominikanischen Republik nach Frankfurt, sowie des Aeroperu-Flugs 603 von Lima nach Santiago (Chile).

Wespennest im Höhenmesser

Die Birgenair-Maschine, eine Boeing 757, war wochenlang unbenutzt auf dem Rollfeld gestanden, offenbar hatte sich in einem Höhenmesser ein Wespennest gebildet. Schon beim Anrollen erklärte der Kapitän: "Mein Geschwindigkeitsmesser funktioniert nicht." Doch er brach den Start nicht ab. Zwei Minuten später sagte er: "Irgendwas stimmt nicht... da ist etwas Verrücktes." Aus den Daten des defekten Geschwindigkeitsmessers schloss der Autopilot, dass das Flugzeug zu schnell war, er erhöhte die Steigrate und senkte den Schub.

In Wahrheit war das Flugzeug jetzt zu langsam - und dass die Strömung gleich abreißen würde, konnte die Besatzung daran erkennen, dass die Steuersäule zu rütteln begann. Allerdings war den Piloten jetzt völlig unklar, ob die Maschine zu langsam war oder zu schnell. "Was soll ich machen?", fragte der Kapitän, und später: "Was ist los?" Sein ratloser Kopilot ergänzte nur: "Oh, was ist los?" Zwölf Sekunden später endete die Aufzeichnung, die Maschine war ins Meer gestürzt.

Nur acht Monate später ereilte den Aeroperu-Flug dasselbe Schicksal. Die Piloten der Boeing 757 mussten mit widersprüchlichen Angaben auf ihren Instrumenten und ständigen Alarmtönen zurechtkommen. Wie die Birgenair-Maschine war auch dieser Flug nachts gestartet und flog über Wasser.

"Wir fliegen ohne Geschwindigkeit"

"Wir sind in Not, wir haben keine Instrumente", funkten sie an den Kontrollturm. "Was für einen Mist haben die Techniker da gemacht", schimpfte der Pilot, der sich vom Kontrollturm die eigene Höhe durchgeben lassen musste. Von seinen Instrumenten war er völlig verwirrt. "Wir fliegen ohne Geschwindigkeit, es kann nicht sein." Später warnte ihn der Computer vor überhöhter Geschwindigkeit, obwohl er die Triebwerke zurückgefahren hatte.

Für die Piloten war es ein Flug durch ein schwarzes Mysterium, sie konnten keinen Daten mehr trauen. "Fiktiv, alles ist fiktiv", rief der Kapitän. Er forderte ein Flugzeug an, das ihn zurücklotsen könnte.

Bevor die Helfer ankamen, stürzte die Maschine ins Meer. Man fand heraus, dass die Sensoren mit Klebeband verschlossen waren. Ein Arbeiter hatte vergessen, sie nach der Reinigung der Maschine zu entfernen.

© SZ vom 10.06.2009/ojo - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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