Zweite S-Bahn-Stammstrecke:Murksen und schummeln

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Tieftunnel mit zu wenig Nutzen für S-Bahn-Betrieb

"Wer von der neuen Stammstrecke profitiert" vom 1. Dezember:

Von der neuen Stammstrecke profitiert kaum ein S-Bahn Fahrgast. Das vorgestellte Betriebskonzept ist eine Mogelpackung und erinnert mich an Stuttgart 21. Obwohl die Fahrgastzahlen der Münchner S-Bahn täglich steigen, ändert sich der Fahrplan der S-Bahn innerhalb der nächsten 12 Jahre - das ist die wohl realistische Bauzeit des Tunnels - überhaupt nicht. Man muss sich das mal vorstellen!

Wenn der Tunnel dann fertig ist, passiert auch nichts Gravierendes. Auf den eingleisigen Strecken fahren die S-Bahnzüge weiter wie bisher im Abstand von 20 Minuten, auf den Strecken, auf denen Fernbahn und S-Bahn die gleiche Trasse benutzen, will man vom 20-Minuten- auf den 15-Minuten-Takt wechseln, was in der Praxis heute schon beim 20-Minuten-Takt wegen der dichten Zugfolge nicht funktioniert. Kaum eine S-Bahn im Berufsverkehr fährt auf diesen Trassen pünktlich. Und in 12 Jahren, wenn mehr Regionalzüge unterwegs sein müssen und der Güterverkehr zugenommen hat, will man dann sogar im 15-Minuten-Takt auf den Mischstrecken fahren. Wie frech wird da geschwindelt.

Auf einigen S-Bahnlinien wird in 12 Jahren der heute übliche, notwendige 10-Minuten-Takt in den Spitzenzeiten einfach wieder weitgehend eingestellt, obwohl diese Linien auf eigenen Trassen fahren. Warum? Eine unmögliche Planung. Der einst versprochene 10-Minuten-Takt im gesamten Münchner S-Bahnnetz kommt nicht und kann nicht kommen. Und ohne den 10-Minuten-Takt ist die S-Bahn dem zukünftigen Fahrgastaufkommen nicht mehr gewachsen. Die Wahrheit ist: Der zweite Tunnel hilft dem Ausbau der S-Bahn kaum. Nur wenn die eingleisigen Strecken der S-Bahn zweigleisig ausgebaut werden, wenn S-Bahn- von Fernbahntrassen getrennt werden, kann man eine ehrliche Taktverdichtung einführen. Dann wäre ein 10-Minuten-Takt möglich, dann wäre die S-Bahn endlich pünktlich, zuverlässig und schnell. Stattdessen wird zum falschen Zeitpunkt über Regional- und Express-S-Bahnen fabuliert, es wird gemurkst und beschummelt. Alles auf Kosten der Fahrgäste und der Steuerzahler. Der neue Bahnchef Dr. Lutz hat mal gesagt, er hätte Stuttgart 21 nie gebaut. Was wird er über die Münchner Mogelei denken? Hans Lüdorf, Kirchheim-Heimstetten

© SZ vom 05.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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