Zu teuer:Niemand will nach München

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Am Flughafen findet der Zoll Heroinpäckchen und Elefantenfüße, nur eines nicht: ausreichend Personal. Auch Zwangsversetzungen sind keine Lösung.

Susi Wimmer

Sie sehen aus wie Kartoffelkroketten. Bräunlich, oval, mit Kautschuk überzogen. Aber sie sind prall gefüllt mit Kokain: Insgesamt 102 so genannter Fingerlinge hatte der 20-jährige Drogenkurier geschluckt, der im Januar am Münchner Flughafen aufgeflogen war. Die 1,5 Kilogramm Kokain wollte der spanische Student in Deutschland unter die Leute bringen.

Das Risiko des "Bodypackers", wie die Zöllner sagen: Wäre auch nur ein einziges Behältnis in seinem Körper geplatzt, wäre er innerhalb von Minuten tot gewesen. So kam im Laufe des Tages ein Päckchen nach dem anderen auf dem natürlichen Weg zum Vorschein - zur Freude der Münchner Zöllner.

Letztere konnten sich bei der Jahrespressekonferenz des Zolls am Münchner Flughafen von ihrem obersten Chef, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, am Dienstag viel Lob für ihre Arbeit abholen. Eines allerdings konnte Steinbrück den Zöllnern auch nicht sagen: Wie die 60 vakanten Stellen am Flughafen besetzt werden können.

"Mit Freude verrichten"

München ist attraktiv, das hatte das Bundesverfassungsgericht Anfang März dem Polizisten Peter Steininger bescheinigt - und zum Teil auch mit dieser Begründung seine Klage auf Ballungsraumzulage abgeschmettert. "Wir hatten gehofft, dass er durchkommt", sagt Max Lermer, Leiter des Zollamtes München. Von insgesamt 400 Stellen sind momentan nur 340 besetzt. "Weil München einfach teuer ist", räumt Hans-Joachim Stähr, Abteilungsleiter Zoll am Bundesfinanzministerium, ein.

Sprich: Keiner will nach München. "Mit Zwangsversetzungen schaut es schlecht aus", sagt Stähr: Schließlich wolle man, dass die Beamten ihren Dienst "freudig verrichten".

In der Praxis führt das Personaldefizit dazu, dass die Zollfahnder Schwerpunkte setzen müssen. Afrikatouristen verstoßen bei ihren Mitbringseln besonders gern gegen das Artenschutzabkommen, so wurden Hocker aus Elefantenfüßen und Souvenirs aus Jaguarhaut eingeführt.

Stichwort Markenpiraterie: Aus China oder Malaysia werden gerne gefälschte MP3- oder DVD-Player eingeführt. In der Maschine aus Shanghai können Koffer mit nachgemachten Designerjeans sein. Mit einem Scan-Mobil fährt der Zoll vor, nachdem das Gepäck ausgeladen wurde: Jeder Koffer kommt auf das Fließband und wird geröntgt, ohne dass der Passagier etwas bemerkt.

"Sieht man viele Punkte, ist der Koffer voll mit Jeans", sagt Zöllner Carsten Schmidt. Hellbraune, waffelförmige Riegel: Geschmuggelte Zigaretten.

Und da es von München nur wenige Direktflüge nach Südamerika gibt, nehmen Kokain-Dealer gerne den Weg über Madrid. "Wir hatten 24 Kilogramm Kokain und Heroin in neun Schmuggelfällen, davon fünf Bodypacker", zählt Lermer auf.

Wie man "Bodypacker" erkennt? Es sind oft Leute, die "nicht in die Maschine passen", wie Lermer sagt. Etwa der Kenianer, der aus der Türkei kommt und nach Italien reisen will. Er hat zwei Handys dabei, eines privat, eines für die Kontakte. Und Tabletten, die den Stuhlgang verhindern. So ging er ins Netz.

© SZ vom 14.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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