Zeitung am Gardasee:Man schreibt deutsch

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Alessandro Colombo ist Vorstandschef des Verlags, in dem die deutschsprachige Gardaseezeitung erscheint. (Foto: privat)

Die "Gardaseezeitung" kümmert sich um alles, was Touristen interessieren könnte - aber garantiert nicht auf Italienisch

Interview von Dominik Hutter

Inzwischen feiert sie ihr 20. Jubiläum - die Gardaseezeitung, die am Lago unter anderem in vielen Hotels kostenlos zu haben ist. Sie erscheint in Italien, ihre Sprache aber ist Deutsch. Ein Gespräch mit Alessandro Colombo, dem Vorstandschef des Verlags Vecom Editrice, über seine Zeitung, den Gardasee an sich und die Liebe der Münchner zu "ihrem" See.

SZ: Bei uns wird gerne behauptet, der Gardasee sei der südlichste See Münchens. Würden Sie das so unterschreiben?

Alessandro Colombo: Aber ja, absolut. Schon wegen des milden Klimas und der kurzen Anfahrtszeit. Wer um den See fährt, kann überall zweisprachige Schilder für Touristen sehen, auf Italienisch und Deutsch. In Italien wird gefrotzelt, es könne den Deutschen gelingen, den Lago zum 18. deutschen Bundesland zu erklären (das 17. ist ohne Zweifel schon Mallorca). Und ich nehme an, dass auch viele Italiener einverstanden wären. Obwohl es immer mehr englische, russische und niederländische Touristen gibt, fühlen sich am Gardasee vor allem die Deutschen zu Hause. Und das im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie haben alte Bauernhäuser und ganze Dörfer wunderschön hergerichtet.

Wo wirkt der Gardasee denn deutsch - und wo gar nicht?

Die Gewohnheiten in Norditalien sind denen der Deutschen durchaus ein wenig ähnlich, was Pünktlichkeit, Fleiß und Ordnungssinn angeht. Aber natürlich gibt es auch Unterschiede: Hier bestimmt die Mittelmeer-Philosophie den Alltag und mit Abstrichen auch das Geschäftsleben. Der Tag wird lange ausgedehnt, man isst spät zu Abend und geht auch spät ins Bett. Das gilt auch für Kinder. Um die Stimmung wiederzugeben: Es herrscht mehr Leben und Lebendigkeit.

Was hat sich in den vergangenen Jahren am Lago verändert?

Zwar bilden die deutschen Touristen nach wie vor die Mehrheit, aber immer mehr Besucher aus anderen Ländern - und nicht nur aus der EU - entdecken den Gardasee für sich. Sie bleiben immer kürzer, sodass die Hoteliers gezwungen sind, immer mehr Veranstaltungen anzubieten, ihre Häuser aufzumöbeln und "Kreativpakete" zu schnüren. Bei den Deutschen sind die Ansprüche gestiegen: Die Älteren, die aufs Geld schauen, fliegen jetzt nach Mallorca oder in afrikanische Resorts. Stattdessen kommen jüngere Besucher mit höherer Kaufkraft und höheren Erwartungen vor allem an die Wellness- und die Fitnessangebote.

Wer liest denn die "Gardaseezeitung"? Touristen? Häuschenbesitzer? Auswanderer?

Das Ganze hat 1996 als simple Geschäftsidee angefangen. Jedes Jahr kommen etwa eine Million Deutsche an den Gardasee. Manche bleiben Wochen, manche Monate und manche noch länger. Die Gardaseezeitung informiert, was in ihrer nächsten Umgebung passiert. Der See hat viel zu bieten, von kleinen Märkten bis hin zu Vergnügungsparks, es gibt Kunstausstellungen und Konzerte. Es handelt sich um eine kostenlose Zeitung für Touristen, die aber auch von Bewohnern des Gardasees gelesen wird.

Was kommt denn am besten an bei den Lesern?

Das meiste Interesse erregen Berichte über Nachbarschaftskonflikte, Promillegrenzen, Bußgelder, Steuern oder die Gültigkeit von Führerscheinen. Also alles, was Leute angeht, die mehr oder weniger lang im Ausland leben. Es geht aber auch um Veranstaltungen, Ausflugstipps, Sport und Essen. Und um unsere letzten Seiten nicht zu vergessen: Es gibt einen Terminkalender für zwei Wochen, Fahrpläne für Busse und Flugzeuge, Infos über Märkte, Tierparks, Gottesdienste und Vergnügungsparks. Übrigens bin ich seit einem Monat (stolzes) Ehrenmitglied beim "Italienischen Verein Deutsche in Italien", mit dem wir ein paar größere Projekte vorhaben.

Und was ist die Sensation 2015 am Gardasee?

Die Gemeinden und Hotels rund um den See versuchen jedes Jahr, ihre Angebote zu verbessern. Deshalb kann ich diese eine Sensation für 2015 nicht bieten. Es gibt so vieles: die Festa dei Tortellini in Valeggio, die Ruderregatta Palio delle Bisse, die fabelhafte Notte di Fiaba in Riva, die vielen hundert Weinfeste, Feuerwerk am See, die offenen Weinkeller, Calici di Stelle (Wein unter dem Sternenhimmel), die Centomiglia-Regatta. Oder, um etwas Außergewöhnliches zu nennen, was in diesen Tagen stattfindet: die Sky Raiders Show.

Hat die "Gardaseezeitung" auch eine italienische Ausgabe?

Nein. Das haben wir auch ebenso wenig vor wie eine auf Niederländisch oder Russisch. Im Laufe der Jahre haben wir eine spezielle Beziehung zu unseren deutschen Lesern entwickelt, die unsere ganze Aufmerksamkeit erfordert. Jeden Februar, wenn wir unsere erste Ausgabe auf der Messe "Free" in München präsentieren, kommen viele Leute an unseren Stand, machen Selfies und holen sich eine Ausgabe, gerade so, als ob ein alter Freund eingetroffen wäre. Wir werden immer wieder gefragt, ob wir auch nach Deutschland ausliefern. Das ist aber zu teuer. Dafür liefern wir regelmäßig einige Ausgaben an einen italienischen Feinkostladen in den Fünf Höfen. Also seien Sie auf der Hut: Wir haben begonnen, mit der Süddeutschen Zeitung zu konkurrieren.

© SZ vom 11.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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