Zeiten der Beat-Musik in Schwabing:Rolling Stones, eine dänische Watschn und die Gammler

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Ein Bericht über eine fotografische Rückblende in der Pasinger Fabrik weckt auch bei SZ-Leser Rudolf Zellner einige besondere Erinnerungen

" Wo die Uschi den Jimi fand" vom 8./9. Februar:

Ihr wunderbarer Artikel mit den von Wolfgang Lauter beigesteuerten Erinnerungen an das Schwabing der Beat-Ära ist für mich Nostalgie pur, da ich damals in der Leopoldstraße 23, genau über dem "Big Apple" und dem "PN" in den darüber liegenden Etagen als junger Angestellter bei der Barmer arbeitete. Am Wochenende war ich regelmäßig im PN, wo hauptsächlich englische Beatgruppen live spielten. Dort konnte man direkt an beziehungsweise hinter der Bühne stehen und verfolgen, wie der Schlagzeuger (besonders gut bei Johnny Dean & The Deacons oder den Renegades zu beobachten) mit den Füßen seine Basstrommeln und Becken bearbeitete.

Die Pretty Things sollten ursprünglich im PN auftreten, wechselten aber rüber ins Big Apple, wo die vorab gelösten Eintrittskarten vom PN für diesen Auftritt im Big Apple ihre Gültigkeit behielten. Der Schlagzeuger der Pretty Things - Viv Prince - war von einer Barschlägerei in Kopenhagen, wo er an den Falschen geriet, nämlich den dänischen Boxmeister, im Gesicht so lädiert, dass ihm ständig das Wundpflaster von seiner Oberlippe herunterhing, was ihn aber nicht daran hinderte, ein solides Rhythmusgerüst für seine Bandkollegen hinzulegen.

Jimi Hendrix, der bei seinem ersten Auftritt im Big Apple am Nachmittag von der Publikumsreaktion sehr enttäuscht gewesen sein soll, spielte am Abend die Stücke seiner ersten LP "Are You Experienced", die ich erst eine Woche zuvor erworben hatte, mit einer Hingabe und Wucht - nach der Pause genau dieselben noch einmal -, dass es ein unvergessliches Erlebnis war.

Das Big Apple, das eigentlich eine Diskothek war, hatte eine so winzige Bühne, dass beim Auftritt der Spencer Davis Group deren Sänger Steve Winwood auf seinem Stuhl am Piano so knapp am Rand des Podiums saß, dass ich die Stuhlbeine von hinten festhielt (natürlich von ihm unbemerkt), sonst wäre er bei seinem kraftvollen Körpereinsatz womöglich rückwärts von der Bühne gefallen.

Die sogenannten "Gammler", die meistens vor dem "Picnic" hockten, erregten den Betreiber des daneben befindlichen Würstlstandes, einen etwa 50-jährigen gebürtigen Polen, den wir nur "Josef" nannten, dermaßen, dass er ihnen täglich sein Spülwasser vor die Füße kippte, um sie zu vertreiben. Was ihm natürlich nicht gelang.

Im "Blow Up" traten unter anderen Episode Six (Vorgänger von Deep Purple), Brian Auger & The Trinity und auch Pink Floyd auf, die damals noch "psychedelisch" mit Syd Barrett unterwegs waren und noch keinen bombastischen Stadionrock zelebrierten.

Nach dem "Drugstore" eröffneten die Brüder Samy auch noch das "Citta 2000", in dem auf mehreren Ebenen Geschäfte und sogar ein Kino Platz fanden, in dem unter anderem "200 Motels" von Frank Zappa im Original gezeigt wurde.

Im Circus Krone gaben die Rolling Stones ihr erstes Münchner Konzert, bei dem sie nach acht Nummern in 22 Minuten ohne Zugabe wortlos die Bühne verließen.

So könnte ich noch endlos fortfahren, werde aber erst einmal zusammen mit meiner Frau und Freunden die Fotoausstellung von Ulrich Handl in der Pasinger Fabrik besuchen... Rudolf Zellner, Oberhaching-Deisenhofen

© SZ vom 14.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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