Zehnte Liga:"Ich sage Kollegen immer: Stellt euch den Spielern"

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Schiedsrichter werden ständig kritisiert, Wolfgang Hauke bekommt meistens Komplimente - nur warum? Ein Besuch beim Spiel des VfB Sparta gegen den FT Gern.

Marc Baumann

Die SZ begleitet eine Saison die Kreisklasse Gruppe 2. Diesmal: Ein besonderer Schiedsrichter.

Ein gewissenhafter Mann: Schiedsrichter Wolfgang Hauke erschien schon eineinhalb Stunden vor Spielbeginn. (Foto: Foto: Pahnke)

Der Spieler fordert die rote Karte, dabei ist das Spiel seit einer halben Stunde vorbei. "Das war doch eine Tätlichkeit, der hat mich geschubst!", sagt der junge Stürmer, der unvermittelt am Tisch im Biergarten steht. Wolfgang Hauke hat sein Trikot längst verstaut, frisch geduscht sitzt er im Anzug bei einem Kaffee, aber Schiedsrichter ist er noch immer. Hauke sagt: "So, jetzt pass mal auf", er erhebt sich, blickt den jungen Mann freundlich an - und gibt ihm einen Schubs. Der Spieler fängt den Schwung mit zwei, drei Schritten nach hinten ab und blickt Hauke verwundert an. "Siehst du? Jetzt bist du nicht umgefallen!", sagt Hauke, "wenn ich dich als Gegenspieler so geschubst hätte, wärst du schreiend zu Boden gegangen, hier tust du es nicht - darum gab es keine Karte." Der Stürmer ist verblüfft, Hauke klopft ihm auf die Schulter, Problem gelöst.

SZ: Ist es ungewöhnlich, dass Spieler nach dem Abpfiff das Gespräch suchen?

Wolfgang Hauke: Viele Spieler wollen danach reden, aber die Schiedsrichter oft nicht. Ich sage den Kollegen immer: Stellt euch. Gut, außer die Stimmung ist extrem aufgeheizt.

Sonntagvormittag: Der FT Gern trifft auf den VfB Sparta, der Fünfte gegen den Elften. Die Tabelle deutet auf eine problemlose Partie hin. 90 Minuten, zwei Elfmeter und drei Tore später (Sparta siegt) sitzt Wolfgang Hauke verschwitzt in der Kabine: "Ich habe acht gelbe Karten verteilt, das ist zu viel. Haben die Spieler meine Linie nicht verstanden?"

SZ: Warum sind Sie Schiedsrichter?

Wolfgang Hauke: Ich kann das nicht beantworten, obwohl ich oft gefragt werde. Vor 20 Jahren bin ich für jemanden eingesprungen, hinterher wurde ich gefragt, ob ich nicht öfter pfeifen will. Die Motivation am Anfang war für mich, dass man als Schiedsrichter umsonst ins Stadion darf (lacht), auch zur Bundesliga. Ich hab' bis zur Bezirksliga gepfiffen, dann hat mich eine Fuß-OP gebremst, und ich bin Ausbilder geworden.

Fußballfans kennen Fotos aus Umkleidekabinen der Spieler: Sekt spritzende Fußballer bei Meisterfeiern, weinende Männer Minuten nach dem Abstieg. Aber wie fühlt sich der Unparteiische in seiner kleinen Kabine nach dem Abpfiff?

SZ: Sie wurden heute viel gelobt, wie geht es Ihnen, wenn Sie nach einem Spiel von allen Seiten kritisiert werden?

Hauke: Es beschäftigt mich, ich gehe daheim alle kritischen oder kritisierten Szenen noch mal durch. Oft findet man die Kritik dann berechtigt.

Hauke diskutiert nach dem Spiel leidenschaftlich mit einem Kollegen, ein andere zieht sich für das nächste Spiel um. Hauke erzählt: "Der eine Trainer sagt zu mir: ‚Du, mein Verteidiger hat doch den Gegner UND den Ball getroffen' - Da sage ich ihm: ‚Wenn er den anderen trifft, ist das ein klarer Elfmeter, das weißt du doch, warum motzt du auf dem Platz?'" Hauke ärgert sich: "Der Trainer gibt mir hinterher Recht und hetzt trotzdem im Spiel die Mannschaft gegen mich auf!" Hauke wirkt müde, am Abend unterrichtet er in Oberhaching Regelkunde, alles aus Leidenschaft, alles in seiner Freizeit.

SZ: Sie sind heute wohl von allen auf dem Platz am meisten gelaufen...

Hauke: Danke. Ja, vielleicht. Ich rate Kollegen in Lehrgängen: ‚Lauft viel, seid nah dran am Ball.' Steht man beim Pfiff zu weit weg, hat man immer Ärger. Ich bin als Schiedsrichterbeobachter enttäuscht, wenn ich Kollegen sehe, die zu wenig laufen, gerade die jungen. Ich bin 48 und mir hat ein Spieler vorhin gesagt: 'Ich hab noch jeden Ihrer Pfiffe im Ohr, so nah waren Sie neben mir.'

In der Kreisklasse gibt es keine Linienrichter, wie so oft hat man zwei Kindern die Fahnen in die Hand gedrückt. Wolfgang Hauke sagt: "Kinder sind ehrlich, das mag ich." Nach dem Spiel schenkt er ihnen Tipp-Kick-Figuren vom Fußballverband, wo er Geschäftsführer im Bezirk Oberbayern ist. Hauke hat an diesem Sonntag einen guten Tag, er hat aber auch Glück. Kurz vor der Pause geraten die Trainer aneinander, zeitgleich geht bei einer Ecke ein Spieler schreiend zu Boden, die Emotionen gehen hoch. In solchen Momenten fällt auf, wie einsam ein Schiedsrichter ist: einer gegen alle.

SZ: Der Schiedsrichter ist der meistbeschimpfte Mann auf dem Rasen. Wie viel Geld gibt es eigentlich pro Spiel?

Hauke: 20 Euro, plus Spesen. Aber die wenigsten pfeifen wegen dem Geld.

Das wusste man bei Schiedsrichter Wolfgang Hauke schon vor der Antwort.

© SZ vom 05.05.2009/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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