Zehnte Liga (7):Katerfußball am Vormittag

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Der VfB Sparta wurde gegründet, um die Jugend zu Disziplin und Härte zu erziehen - heute hat er die gleichen Oktoberfest-Probleme wie alle Münchner Amateurklubs.

Sebastian Gierke

Die SZ begleitet eine Saison lang die Kreisklasse 2. Der siebte Spieltag zeigte, dass auch Spartaner gerne feiern.

Nach der Wiesn auf den Rasen: Die Fußballer des FC Schwabing (links) und des VfB Sparta tauchen am Sonntagmorgen aus den Untiefen des vergangenen Abends auf. (Foto: Foto: Christina Pahnke)

Harte Tage und Wochen liegen hinter den Spielern des VfB Sparta. Zwei deutliche Niederlagen in der Kreisklasse, eins zu neun Tore, ein Platz im hinteren Tabellendrittel, einige Stammspieler verletzt, Mehrarbeit für den Rest. Doch nicht deshalb sieht Kapitän Thomas Gottschalk nach der 0:3-Niederlage gegen den FC Schwabing so müde aus. Der wahre Grund für das Leiden einiger Spieler liegt ganz woanders. Nicht auf dem Fußballplatz, sondern auf dem Festplatz. Die Wiesn macht einigen hier doch sehr zu schaffen.

Sparta, die antike Stadt, steht eigentlich für exzessives Exerzieren, für Strenge, Härte, Anspruchslosigkeit. Auch als der Münchner Verein, damals unter dem Namen SC Sparta, 1962 aus der Taufe gehoben wurde, wollten die beiden Gründungsväter, zwei Münchner Neureiche, diese alten Ideale fördern. Erziehung der Jugend durch Leibesertüchtigung und sportlichen Wettkampf, so das Ziel, Disziplin und Härte die Leittugenden. Disziplin und Härte braucht es zwar auch, um nach einem exzessiven Besuch auf dem größten Volksfest der Welt am nächsten Morgen um kurz vor elf Uhr auf dem Fußballplatz zu stehen, doch hätte ein solches Verhalten in Sparta wohl mächtig Ärger gegeben.

Denn die Leistung leidet. Der FC Schwabing gegen den VfB Sparta, eigentlich ist das ein Duell auf Augenhöhe. Beide Mannschaften wollen in der Tabelle nach oben. Doch die Standfestigkeit des Sparta-Sturms ähnelt vor allem in der ersten Halbzeit doch sehr der Standfestigkeit der Teufelsradbesucher am Oktoberfest. Und die Abwehr wackelt wie ein Wiesntourist nach der fünften Maß.

"Ich war gestern auch unten, das hört man an der Stimme", entschuldigt sich Thomas Gottschalk. Aber immerhin sei er nicht noch weitergezogen, danach. "Nicht, wenn wir ein Spiel haben." Das macht den Kapitän zum Vorbild. Denn er war da, um zehn Uhr am Sonntag, als der Trainer gerade einmal neun einsatzbereite Spieler zählte. Einer musste dann noch zur Halbzeit aus dem gerade laufenden Spiel der zweiten Mannschaft ausgewechselt werden, um noch zwei Halbzeiten für die erste Mannschaft spielen zu können - und das in seinem zweiten Spiel nach langer Verletzungspause. Ein anderer hatte verschlafen, der DJ war erst um fünf im Bett. "Das verstehe ich, wenn der noch etwas länger schläft", seufzt Sparta-Trainer Markus Scheingraber. "Den habe ich halt dann geweckt, er kommt."

Andere haben das nicht geschafft. Einer der besten, er spielt im linken Mittelfeld, ist gar nicht erst aufgetaucht, aus den Untiefen des letzten Wiesnsamstages. "Das haben wir uns schon gedacht. Den haben wir gestern auf der Wiesn getroffen, und der ist danach sicher nicht heim, so wie der ausgschaut hat." Thomas Gottschalk lacht. "Hat er letztes Jahr schon einmal gemacht." Der Trainer lacht etwas gequält: "Nächste Woche spielt der in der zweiten Mannschaft. Auch wenn wir keine Spieler haben. Aber die Mannschaft so im Stich lassen, das geht nicht." Dabei hat er nichts dagegen, wenn die Spieler auf die Wiesn gehen. "Die können von mir aus auch drei, vier, fünf Maß trinken, aber dann sollen sie halt auch heim gehen, wenn da Schluss ist. Dann haben sie immer noch acht Stunden Schlaf."

Dass Amateurmannschaften oft so früh spielen müssen, liegt an den vollen Belegungslisten der Bezirkssportanlagen. Auf die Wiesn wird da keine Rücksicht genommen. Scheingraber zuckt etwas hilflos mit den Schultern: "Ich kann sie ja nicht zwingen, daheim zu bleiben. Ich brauche die Spieler ja. Wenn ich versuchen würde, die Wiesn zu verbieten, dann kommen sie vielleicht gar nicht mehr." Der Kapitän sieht das ähnlich: "Ohne Wiesn würde die Motivation doch leiden. Und in der Klasse muss man sich auch nicht entscheiden zwischen Fußball und weggehen. Das geht beides. Und die Probleme mit der Wiesn haben ja alle."

Auch die Schwabinger. Doch die können das an diesem Tag besser kompensieren. Zur Halbzeit liegen sie 2:0 in Führung, nutzen eine Standardsituation und einen sogar für Katerfußball haarsträubenden Abspielfehler von Sparta im Spielaufbau. In der Kabine lassen die Sparta-Spieler die Köpfe hängen. Scheingraber versucht sie aufzubauen - indem er ihnen noch mal die Fehler vorhält. "Und Jungs, lasst die gegenseitigen Schuldzuweisungen. Der Markus weiß selber, dass das ein Schweineball war, da vorne rein. Gell Markus, das weißt du doch!" Die Köpfe hängen. Doch die Mannschaft versucht noch einmal, holt nach Wiederanpfiff einen Elfmeter heraus: Schuss mit rechts, Pfosten, der Ball springt an den Kopf des Torwartes, rollt Richtung Tor, der Torwart greift zu, hat ihn. "War der Torwart gestern nicht auf der Wiesn?", ruft ein Zuschauer.

"Glück muss man sich halt auch erarbeiten", ärgert sich Scheingraber später. Nur vier Spieler waren unter der Woche im Training. Aber Scheingraber hat Hoffnung: "Nach der Wiesn wird das wieder besser. Und dann zeige ich ihnen vielleicht auch einmal den Film 300". Darin verteidigt ein kleines Häufchen Spartaner mit großer Disziplin, völliger Hingabe und bedingungsloser Treue ihre Stadt. Keiner der Kämpfer macht, was er will, alles ist auf das gemeinsame Wohl ausgerichtet. Etwas von diesen Tugenden, wenn auch im Kreisklassenformat, würde dem VfB Sparta sicherlich gut tun. Nach dieser Niederlage hat der Kampf gegen den Abstieg schon begonnen.

© SZ vom 07.10.2008/sonn - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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