Wunschpark Nord:Warum der Kunstpark nach Fröttmaning muss

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Jochen Temsch

(SZ vom 20.2.2002) - Es ist schon viel über den Kunstpark Nord geredet worden, aber nicht über die Kunst. Vor drei Jahren, noch vor dem Stadionentscheid, hielt das Protokoll des Bezirksausschusses Schwabing-Freimann fest, dass sich der Münchner Norden vom Aschenputtel zum Dornröschen wandeln solle.

Bald komme ein Prinz und küsse den Stadtteil wach. Wenn dieses Bild überhaupt zulässig ist, wäre dieser Prinz Hallen-Herrscher Wolfgang Nöth. Dornröschen aber blinzelte gerade mal.

Viele, vor allem ältere Freimanner jedenfalls haben auf der jüngsten Informationsveranstaltung im Zusammenhang mit dem geplanten Kulturzentrum nur Verkehrslawinen und Lärmbelästigungen erkannt.

Dabei lohnt sich schon jetzt ein Blick auf das vorläufige künstlerische Konzept des Kunstparks Nord - den vorbildlosen, aber nicht von vornherein vergeblichen Versuch der Verlegung einer jahrelang gewachsenen Jugend- und Künstlerszene in Neubauten an den Stadtrand.

Der einzig mögliche Ort

Diese Verlegung muss stattfinden, will München sein deutschlandweit einmaliges, kommerziell erfolgreiches Biotop städtischer Jugendkultur in irgendeiner Form erhalten.

Fröttmaning ist wegen seiner Größe und Infrastruktur der einzig mögliche Ort für den Wiederaufbau des Szene-Mekkas, wenn der Pacht-Vertrag der Kunstpark-Betreiber Wolfgang Nöth und Gabriela Scheffel am 31. Januar 2003 abläuft.

Und: Der Wiederaufbau kann tatsächlich funktionieren. Auch wenn der neue Ort für Münchner abgelegener wäre als der alte, unbequemer zu erreichen gerade für ziellos neugierige Laufkundschaft. Auch wenn alles einige Nummern bescheidenerer ausfiele als am Ostbahnhof.

Bislang stehen dem Kreativ-Konglomerat elf Hektar Fläche auf dem ehemaligen Knödel-Fabrikgelände zur Verfügung. In Fröttmaning wären es nur 4,5 Hektar - weniger als die Hälfte.

Durch den Platzmangel haben bei der Auswahl der in Frage kommenden Club- und Gastronomie-Patrone diejenigen die besten Chancen, die bereits jetzt ein erfolgreiches Konzept für ihre Betriebe vorweisen können.

Fraglich ist, ob Nöth trotzdem auch Neulinge auf das Gelände ließe. Denkbar wären ja zum Beispiel die von der Obdachlosigkeit bedrohten Clubs Backstage und Nachtgalerie. Fraglich auch, ob der Kunstpark-Betreiber die immer wieder betonte Vision der bürgerschaftlichen Nutzung auf engem Raum verwirklicht - also zum Beispiel Veranstaltungsräume für Vereine schafft.

Private Subventionierung

Immerhin besteht in Fröttmaning die Chance, dass Künstler ebenso günstig an bezahlbare Ateliers kommen wie Freiberufler an Büros. Theoretisch möglich macht dies das Konzept der "privaten Subventionierung": Umsatzstarke Betriebe bezahlen mehr Miete als finanzschwächere und ziehen diese so mit.

Die für Konzerte so wichtige Hallenkultur würde in Fröttmaning wohl passabel weiterexistieren. Schon jetzt reisen Musikanhänger aus ganz Süddeutschland nach München, um ihre Lieblingsbands zu hören.

Über die Autobahnanbindung des Nordens würden sie sogar noch einfacher ans Ziel kommen. Dort gäbe es dann wie gehabt Hallen mit unterschiedlich großem Zuschauer-Fassungsvermögen, um den Auftritt verschieden stark nachgefragter Künstler bei guter Konzertstimmung zu garantieren.

Die Atmosphäre des Kunstparks Nord ist überhaupt ein wichtiger Punkt. Kritiker des Projekts behaupten oft, das Besondere des Kunstparks sei gerade sein provisorischer, maroder Charakter.

Aber warum eigentlich soll Jugendkultur immer nur in baufälligen alten Löchern stattfinden können, nicht auch in soliden neuen Bauten? Die modulare Struktur des Kunstparks Nord böte den Veranstaltern immerhin größtmögliche Gestaltungsspielräume.

Theoretisch könnte der Kunstpark durch seine Bauklötzchen-Architektur auf dem vorgegebenen Areal sogar wachsen, auch wenn dieser Wuchs aufgrund der dann anfallenden Betriebsstörungen wohl nicht allzu wild ausfallen würde.

Ein Märchen wird wahr

Jedenfalls muss klar sein, dass es beim Kunstpark Nord um mehr als eine neue Heimat für ein, zwei Großdiskotheken geht. In Fröttmaning hätte die einmalige Mischung aus Partykultur und Kreativberufler-Ansiedlung eine echte Überlebenschance, wenn auch abgelegener und in Miniaturform.

Angenommen, der Kunstpark Nord käme gar nicht, oder nicht übergangslos am Ende des Kunstparks Ost, würde die Club-, Theater- und Konzertkultur schon irgendwie weitergehen - versprengt in den Elser-Hallen, auf dem Optimol-Gelände und dem demnächst eröffnenden "Spiegelzelt".

Eine befriedigende langfristige Lösung aber wäre das nicht. Deswegen sollte das Märchen von Dornröschen wahr werden.

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