Zustellung in Bad Tölz-Wolfratshausen:"Es fängt schon am Black Friday an"

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Jedes Jahr vor Heiligabend muss die Post besonders viele Pakete zustellen. Heuer kommt noch die 2-G-Regel im Einzelhandel dazu. Victoria Grzelachowski über den inzwischen fast schon normalen Wahnsinn an Weihnachten

Von Susanne Hauck

Ob Bücher, Klamotten oder Wein: Viele Menschen bestellen ihre Geschenke online. Die Post muss deshalb deutlich mehr Pakete als sonst transportieren, die Zusteller haben alle Hände voll zu tun. In den Wochen vor Heiligabend geht's bei DHL zu wie im Bienenstock. Der Weihnachts-Lockdown vergangenes Jahr bescherte einen satten Zuwachs von rund 23 Prozent. Auch dieses Jahr erwartet die Post wieder Rekordmengen. Über den weihnachtlichen Pakete-Wahnsinn sprach die SZ mit Victoria Grzelachowski. Die Frau mit dem schier unaussprechlichen Namen leitet die Abteilung für die Paketauslieferung im Großraum München - und damit auch im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen. Übrigens: Soll das Paket noch rechtzeitig beim Empfänger sein, muss es bis zum 20. Dezember aufgegeben werden.

SZ: Frau Grzelachowski, gibt es für Sie so etwas wie einen Spitzentag im Weihnachtsgeschäft?

Victoria Grzelachowski: Erfahrungsgemäß ist der Zenit in der Woche vor Weihnachten erreicht. Der Paketboom fängt aber bereits am Black Friday an, von Ende November an bestellen die Leute deutlich mehr. Es kommt übrigens ganz aufs Wetter an, wie hoch das tägliche Aufkommen ist. Wenn es draußen regnet, surfen die Leute gern im Internet und kaufen ein. In den nächsten ein, zwei Tagen sind es dann spürbar mehr Pakete. Und das Weihnachtsgeschäft ist für uns mit dem 24. Dezember nicht erledigt, denn nach den Feiertagen schicken die Leute zurück, was ihnen nicht gefällt, oder sie lösen ihre Geschenkgutscheine ein. Bis Mitte Januar haben unsere Kollegen viel zu tun.

Immer wieder Corona-Lockdown, jetzt 2 G im Einzelhandel - wie viel mehr hat die Post zu tun?

Wir haben jetzt an normalen Tagen das, was früher ein Starkverkehrstag war. Etwa 5,9 Millionen Pakete werden am Tag in Deutschland verschickt, ein Drittel entfällt auf Süddeutschland. Vor drei Jahren waren es nur vier Millionen. An den Spitzentagen kurz vor Heiligabend liefert DHL bis zu elf Millionen Pakete aus. Die Pandemie hat den Trend noch einmal verstärkt. 2020, im ersten Corona-Jahr, verzeichneten wir zur Weihnachtszeit ein Plus von rund 23 Prozent mehr Sendungen. Wir erwarten, dass es sich um diesen Dreh einpendelt. Auch heuer wird das Weihnachtsgeschäft wieder sehr stark.

Und wie viele der Pakete laufen über Schorn?

Über Schorn läuft gar nichts. Schorn ist ein reines Briefzentrum, von dort kommt höchstens die Weihnachtspost. Die nächsten Paketzentren sind in Aschheim und Augsburg. Von dort aus geht es in die Zustellstationen nach Germering und Fürstenfeldbruck. Dort sortiert der Zusteller das Paket je nach Bezirk in seine Tour ein. Aber auch bei den Briefen merken wir zur Weihnachtszeit einen Anstieg. So werden im Briefzentrum Schorn aktuell im Durchschnitt etwas über 700 000 Briefsendungen pro Tag bearbeitet.

Kriegt der Zusteller die vielen Weihnachtspäckchen denn alle auf einmal ins Auto rein - oder muss er am Ende zweimal fahren?

Es geht alles auf einmal rein. Wir haben Zustellfahrzeuge mit super Regalen, in die man so einsortieren kann, dass man alles findet. Links und rechts gibt es Fächer, die nicht etwa nach Straßen, wie der Laie denken mag, sondern nach Nummern beschriftet sind. Jeder Kollege schwört da auf seine eigene Methode zum Sortieren. Neuen Kollegen hilft ein digitales System, das anzeigt, in welchem Fach die Sendung liegt. Hundefutter, Bücherstapel, Bürostühle - die Leute lassen sich ja allerhand liefern.

Wie schwer müssen die Zusteller eigentlich schleppen?

Wir sind verpflichtet, Pakete bis zu 31,5 Kilogramm anzunehmen und zuzustellen. Wenn Sie eine Kiste Wein bestellen, kommt dieses Gewicht schon zusammen.

Nichts für Schlaffis also. Gibt's viele Frauen, die den Job machen?

Es stimmt schon, die meisten Zusteller sind männlich. Wir haben aber auch einige taffe Mädels, die ihren Kollegen in nichts nachstehen.

Wie viele Aushilfen stellen Sie vor Weihnachten ein?

Also, Paketzusteller kann man nicht kurz vor knapp werden. Dafür dauert die Einarbeitung zu lange. Corona hat schon alles sehr verändert, übers ganze Jahr holen wir wegen der Rekordzuwächse an Paketen mehr Personal an Bord. Wir haben schon Anfang August für den Weihnachtsverkehr eingestellt. Im Großraum München sind es rund 270 neue Kollegen, davon über 200 für den Paketdienst.

Weiße Weihnacht dürfte bei der Post ziemlich unbeliebt sein, am Ende könnte so ein Wintereinbruch kurz vor den Feiertagen alles durcheinanderbringen und schuld daran ein, dass die Geschenke nicht rechtzeitig kommen. Schauen Sie jeden Abend ängstlich den Wetterbericht im Fernsehen an?

Nein, das ist nicht notwendig, denn die Kollegen sind sehr versiert mit Schnee und Eis - in Bayern jedenfalls. Ich selbst komme aus Hannover, da liegt der Verkehr schon bei einer einzigen Flocke lahm (lacht). Aber ganz im Ernst, die Zusteller haben Hilfsmittel. Wenn es Glatteis gibt, können sie sich Spikes an die Schuhe schnallen, um nicht auszurutschen. Und um am Lieferwagen den Schnee abzukehren, gibt es eigene Gerüste mit Treppe und Geländer. Da kann man bis zum Dach raufsteigen, ohne dass was passiert. Und alle neuen Kollegen bekommen ein zweitägiges Fahrtraining, wo auch das Fahren im Winter geübt wird. Es gibt aber jedes Jahr zwei oder drei Tage mit Blitzeis oder extremem Wintereinbruch. Da schicken wir unsere Leute erst mittags raus oder sie dürfen die Touren abkürzen.

Wie lange müssen die Zusteller am 24. Dezember ran?

Da soll niemand mehr lange arbeiten. Spätestens um 15 Uhr ist Dienstschluss, die meisten schaffen es, mittags heimzugehen. Das liegt auch daran, dass am letzten Tag die Paketflut schon deutlich abgenommen hat. Normalerweise liegt dann auch kein übrig gebliebenes Päckchen mehr in der Zustellstation. Alles ist geschafft.

Was ist es, das im Weihnachtsgeschäft am meisten aufhält?

Wenn die Pakete nicht richtig verpackt sind. Da erleben wir sehr viel. Sind sie beschädigt, müssen wir von Hand nachverpacken. Manche Leute binden noch extra rote Schleifchen zur Verzierung dran, damit das Paket besonders schön aussieht. Das Problem ist aber, dass sich die Schmuckbändchen in den Maschinen auf dem Förderband verfangen. Auch die gute alte braune Paketschnur, wie sie früher verwendet wurde, ist deswegen keine gute Idee. Andererseits machen sich manche Leute überhaupt keine Mühe mit der Verpackung. Sie kleben das Sendeetikett direkt aufs Produkt, höchstens wickeln sie vorher noch ein bisschen dünne Plastikfolie drumrum. Wir wären nicht nur froh um stabile Kartons, sondern auch um gute Auspolsterung. Auch das ist nicht immer der Fall. An Weihnachten werden ja gern edle Tropfen verschenkt. Wenn eine Flasche Wein zerbricht und im Wagen ausläuft, dann ist das für den Kollegen sehr unangenehm.

Gibt es das heutzutage noch, dass sich die Leute bei ihrem Zusteller bedanken?

Das kommt darauf an, wo sie leben. In der Münchner Innenstadt haben sie meistens ihren Zusteller noch nie gesehen, da fehlt der persönliche Bezug. Auf dem Land ist es etwas ganz anderes, hier liefert meist jahrelang der gleiche Zusteller aus. Ja, hier im Landkreis Starnberg oder in Bad Tölz-Wolfratshausen gibt es Menschen, die bedanken sich nicht nur direkt bei ihm, sondern die machen sich die Mühe und schreiben an uns, wie toll ihr Zusteller ist.

© SZ vom 22.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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