Anatol Regnier:"Man hat nur diese Eltern"

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Auf Anatol Regnier lastet eine Dynastie berühmter Vorfahren. In seinem neuen Buch "Wir Nachgeborenen" zeigt er: Andere Töchter und Söhne hatten es noch viel schwerer

Interview von Stephanie Schwaderer

Der Ambacher Künstler Anatol Regnier ist nicht nur Schriftsteller, Gitarrist und Chansonsänger. Er ist auch Nachfahre. Als Sohn der Schauspieler Pamela Wedekind und Charles Regnier sowie als Enkel des Dramatikers Frank Wedekind hat er sich zeitlebens mit seinen berühmten Vorfahren auseinandergesetzt. In seinem neuen Buch "Wir Nachgeborenen" (C. H. Beck) beleuchtet er anhand verschiedener Biografien, welche Wege "Kinder berühmter Eltern" einschlagen, um sich zu emanzipieren.

SZ: Ganz spontan, um welche drei Eigenschaften beneiden Sie Ihren Vater?

Anatol Regnier: Um seine Eleganz, um seine schauspielerische Brillanz und, ja, natürlich auch um seinen Erfolg. Es gibt aber auch Dinge, um die ich ihn nicht beneide.

Zum Beispiel?

Dass er sein Leben als Schauspieler verbracht hat. Schauspieler sind im Alter meist unglücklich, weil es eine flüchtige Kunst ist, weil ihr Name verblasst. Mein Vater war am Ende seines Lebens nicht mehr glücklich.

War es für Sie eher Fluch oder Segen, berühmte Eltern zu haben?

Ich habe nie darunter gelitten, im Gegenteil: Es hilft einem ja auch oft. Andere hatten es schwerer als ich. Der Sohn von Marianne Hoppe etwa, mit dem ich in Ambach aufgewachsen bin. Oder Frido Mann - er schleppt von uns den allergrößten Überbau mit sich herum. Oder die Söhne von Dietrich Fischer-Dieskau. Alles Nachfahren weltberühmter, genialer Menschen.

Sie haben auch Kinder von Friedrich Gulda, Heinz Erhard und Peter Frankenfeld interviewt. Welches Problem ist ihnen gemein?

Die Frage: Was macht man? Wie schafft man eine Gegenposition, um von den alten Giganten nicht untergebuttert zu werden? Theoretisch könnte man Lehrer oder Steuerbeamter werden, aber nicht wirklich. Thomas Frankenfeld wurde immer wieder gefragt, ob er nicht auch Showmaster werden wolle. Dabei wusste er: Das kann ich nicht! Umgekehrt bekam Frido Mann jahrelang gesagt, dass man als Enkel von Thomas Mann keine Romane schreibe. Thomas Frankenfeld wurde dann Journalist - allerdings erst nach dem Tod seines Vaters, erst da hat er die Freiheit dazu gefunden. Und Frido Mann ist Psychologe und dann auch Schriftsteller geworden.

Es sind sehr unterschiedliche Biografien, die Sie beleuchten. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Gesprächspartner ausgewählt?

Einige kenne ich seit meiner Kindheit, bei anderen, etwa bei Frido Mann, gab es eine Verbindung über die Eltern. Völlig unbekannt waren mir die Söhne von Hans Fallada, die habe ich angeschrieben, weil Fallada so eine interessante Figur ist. Die grundlegende Voraussetzung war, dass die prominenten Vorfahren bereits tot waren. Und die Klammer, die alle Geschichten zusammenhält, ist mein eigenes Erleben, das ich in aller Ausführlichkeit und Ehrlichkeit schildere. Es ist ja eine ganze Dynastie, die da über mir sitzt. Zudem entstammen all unsere Mütter und Väter der Kriegsgeneration. Das bringt natürlich auch einen spannenden zeitgeschichtlichen Aspekt mit sich: Wie geht man damit um?

Jüngeren Leuten dürften viele Namen kaum mehr etwas sagen.

Damit muss ich leben. Es geht um meine Erfahrungen und meine Generation, das ist ein Buch für 50 plus.

Sie lassen hauptsächlich Männer zu Wort kommen. Haben es Töchter Ihrer Ansicht nach leichter?

Das glaube ich nicht. Dass ich eher der Söhne habhaft geworden bin, ist Zufall. Was ich jedoch denke, ist, dass Kinder berühmter Mütter es noch schwerer haben als Kinder berühmter Väter. Benedikt Hoppe, zum Beispiel, hat sein Leben seiner Mutter geopfert. Er war hauptberuflich Sohn. Aber er hat eine sehr gute Einstellung dazu entwickelt, das muss man erst einmal schaffen.

War diese Arbeit für Sie auch so etwas wie ein Stück Psychotherapie?

Ich habe ja schon zwei große Bücher über meine Vorfahren geschrieben, habe mich hartnäckig durch die Familiengeschichte gebohrt. Das Wichtigste ist, dass man mit seinen Eltern ins Reine kommt. Viele Kinder sind unglaublich bitter, aber unternehmen nichts. Aber man hat nur diese Eltern. Mir ist bewusst geworden, dass ich meinen einiges zugemutet habe. Sie haben mir sehr viel Freiheit gewährt, was einen gewissen Wildwuchs ermöglichte. Ich bin dankbar für das, was ich machen konnte. Durch dieses Buch sind sie mir nähergekommen.

Anatol Regnier liest am Donnerstag, 30. Oktober, in der Tölzer Buchhandlung Urban aus seinem Buch "Wir Nachgeborenen", Beginn 19 Uhr, Restkarten unter Tel. 08041/9616, und am Donnerstag, 4. Dezember, in der Münsinger Pizzeria Pinocchio.

© SZ vom 30.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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