Wolfratshausen:Grundiertes Fundwissen

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Han's Klaffl unterhält in der ausverkauften Loisachhalle mit abstrusen Schulgeschichten, wie man sie sich nur schwerlich ausdenken könnte

Kathleen Hildebrand

Willkommen im Lehrerzimmer: Han's Klaffl, der auch im wahren Leben Musiklehrer im Münchner Raum ist, stellt in der ausverkauften Loisachhalle gleich einmal seine Mitinsassen vor. Den Latein- und Griechischlehrer Gregorius, der zu jedem Wandertag in die Glyptothek fährt und in seinem Unterricht selbstgebastelte Säulen aus Pappmaschee zeigt - aber nur dorische und ionische, "korinthische hat er nicht hinbekommen". Alt sind Klaffls Lehrer, die meisten stehen kurz vor dem Denkmalschutz, wie schon der Titel seines neuen Programms "Restlaufzeit" andeutet.

Und wenn sie nicht alt sind, dann sind sie Leidende, so wie Herr Gütlich. Sein Hobby ist der Bandscheibenvorfall, hinzu kommt ein "zweistimmiger Tinnitus", beides Resultate des Medienunterrichts, an dem er verzweifelt. Mit den Klagen darüber, der "emotionalen Inkontinenz", geht er den Kollegen auf den Geist und erfreut die Schüler, denn durch sein Gejammer bleibt ihnen der Unterricht erspart.

Das Lied, das Herr Gütlich vom pädagogischen Leidensweg singen kann, intoniert Klaffl am Klavier und trifft wunderbar die Zerrissenheit des gemeinen Lehrers zwischen dem Willen zur Besserung und schwerer Lethargie: Erst jammert er über den Lehrplan, aber wenn dieser dann geändert wird, ist er "doch seit 40 Jahren bewährt!" Natürlich reiben sich nicht alle an ihrem Beruf auf. Chemielehrer Sedlmaier gibt Tipps, wie man völlig unvorbereitet eine Stunde rumbringt: Erstmal "den Kevin zusammenscheißen", denn der hat immer irgendwas angestellt und schon ist die erste Viertelstunde um.

Klaffl selbst hat das nicht nötig. Spielerisch umschifft er jede Klippe, an der sein Programm ins Belehrende kippen könnte. Der Schulpolitik attestiert er zwar ein Trial-and-Error-Lernverfahren - "G 8 ist gerade in der Error-Phase" - wie man es sonst bei niederen Primaten beobachtet. Aber nie gibt er die belustigt-ironische Distanz auf, nie klagt er selbst so, wie seine Burnout-gefährdeten fiktiven Kollegen es täten. Wer sich von Kabarett sonst genervt fühlt, ist bei Han's Klaffl richtig. Er hat sich mehr von Harald Schmidt abgeschaut als von politisch ambitionierten Scheibenwischern.

Natürlich weiß er, wer bei ihm im Publikum sitzt. Wenn er von den sieben Möglichkeiten erzählt, eine Overhead-Folie falsch auf den Projektor zu legen, schiebt Klaffl hinterher: "Ausprobieren am Montag, Kollegen!" Denn geschätzte 80 Prozent im Saal dürften Lehrer sein wie er. Und sie erkennen sich wieder. Weil Klaffl einfach nur mitschreibt im Schulalltag: "Nicht dass Sie denken, ich denk mir was aus. Das braucht's nicht." Sagt er und berichtet vom Chaos am Kopiergerät: Da werden private Steuererklärungen 60-fach kopiert, "weil der Kollege vorher das so eingestellt hatte", oder Arbeitsblätter so winzig klein kopiert, dass ein Schüler beim Lochen gleich zwei Kapitel verliert.

Auch den großen Applaus am Ende kommentiert Klaffl noch: "Wie in der Schule" sei das, "man kommt erst am späten Nachmittag nach Hause, weil die Kinder so begeistert sind." Fast glaubt man ihm, denn bei Han's Klaffl möchte man am liebsten sitzenbleiben.

© SZ vom 04.02.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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