Wolfratshausen:Für Fortgeschrittene

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Die Neue Philharmonie München glänzt mit einem vielfältigen Programm in der Wolfratshauser Loisachhalle. Leider finden sich nur wenige junge Gäste ein

Von Reinhard Szyszka

Wie bringt man Jugendlichen die klassische Musik näher? Die Neue Philharmonie München versucht es mit freiem Eintritt für Schüler und Studenten. Leider hielt sich der Erfolg dieser Aktion in Grenzen. Die Loisachhalle war am Montagabend zwar gut besucht, aber im Publikum dominierten wieder einmal die reiferen Jahrgänge, und die wenigen jungen Hörer bildeten ein überschaubares Grüppchen. Schade, denn das Konzert hätte durchaus das Potenzial gehabt, auch Jugendliche zu fesseln.

Vor Beginn gab Günther Joppig, der frühere Leiter der Musikinstrumenten-Abteilung im Münchner Stadtmuseum, eine Werkeinführung. Dazu war im Obergeschoss der Bereich vor dem Saaleingang bestuhlt. Eine nicht ganz überzeugende Lösung, sowohl der Lärm aus dem Foyer als auch die Musiker, die sich in der Halle warmspielten, störten den Vortrag erheblich. Zu einem unfreiwillig komischen Effekt kam es, als mitten in den Erläuterungen zu Strawinskis "Feuervogel" eine Posaune das Thema aus Ravels "Bolero" ertönen ließ. "Der muss noch üben", lautete Joppigs trockener Kommentar.

Das Üben, so es denn wirklich noch erforderlich war, hatte Erfolg. Die Neue Philharmonie München, gerade von einer Tournee nach Aserbaidschan zurück, präsentierte sich in glänzender Verfassung. Auf dem Programm standen Werke des späten 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, alle mit farbiger, abwechslungsreicher Instrumentierung versehen und für das Orchester anspruchsvoll, aber auch dankbar. Die Neue Philharmonie setzt sich zu 90 Prozent aus fortgeschrittenen Musikstudenten zusammen, die kurz vor dem Examen stehen. Dass es sich um kein wirkliches Profi-Orchester handelt, merkt man allenfalls daran, dass sich die Spieler die Soloparts teilen, während bei einem etablierten Ensemble eine starre Hackordnung herrscht. So kam es zwischen den Stücken regelmäßig zu einem Bäumchen-wechsle-dich, damit immer wieder ein anderer Musiker am Solopult saß.

Das Programm begann mit den Polowetzer Tänzen aus Alexander Borodins Oper "Fürst Igor", und schon hier zeigte das Orchester seine Stärken: farbiger Klang, rhythmische Präzision, tänzerischer Schwung. Die anspruchsvollen Holzbläserparts kamen klar und sicher. Überhaupt war es ein Abend der Holzbläser, die in allen Werken wesentliche Rollen spielten. Beim "Concierto de Aranjuez" von Joaquin Rodrigo trat zuerst das Fagott, dann die Oboe und zuletzt die Flöte in den Dialog mit der Solo-Gitarre. Jessica Kaiser servierte den hochvirtuosen Gitarrenpart wie beiläufig, als sei es das Einfachste von der Welt. Bei ihrer ausgedehnten Kadenz im zweiten Satz saß sie tief über ihr Instrument gebeugt, ganz auf die Musik und den Ausdruck konzentriert.

Ebenso farbig und variabel wie der Orchesterklang geriet auch das Dirigat von Fuad Ibrahimov. Der Dirigent lebte in und mit der Musik, spornte seine Musiker mit Gestik und Mimik zu Höchstleistungen an. Konnte er schon im ersten Konzertteil überzeugen, so wuchs er nach der Pause geradezu über sich hinaus. Unvergesslich, wie er den Beginn von Strawinskis "Feuervogel" aus geheimnisvollen, fahlen Klängen aufbaute zu einer gewaltigen Steigerung, um die Musik dann wieder ins Nichts zurücksinken zu lassen.

Bei Ravels "Bolero", dem Abschluss des offiziellen Programmteils, nahm die Perkussionistin Linda-Philomene Tsoungui wie eine Solistin vor dem Orchester Platz. Auf diese Weise setzte sich der ostinate Rhythmus der kleinen Trommel selbst an den lautesten Stellen mühelos durch. Die ständig wiederholte Melodie bei wechselnder Instrumentierung erzeugt beim "Bolero" eine fast hypnotisierende Qualität, und die enorme Schlusssteigerung verfehlte ihre Wirkung auf das Publikum auch diesmal nicht.

Die Neue Philharmonie München ist aus einem Jugendorchester der Region entstanden. Heute spielt nur noch eine Handvoll Musiker aus dem Großraum Wolfratshausen in diesem Orchester mit; das Gros kommt aus München und anderen Universitätsstädten, und längst schon ist Englisch die Probensprache. Von fortgeschrittenen Musikstudenten kann und darf man eine solche Qualität erwarten, wie sie in der Loisachhalle zu hören war. Umso mehr muss man aber die wenigen Nicht-Profis bewundern, die auf diesem Niveau mithalten können und sich nahtlos in den Klangkörper einfügen.

© SZ vom 16.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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