Wolfratshausen:Ein Fall fürs Amtsgericht

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Krimis vorlesen an einem authentischen Ort: Zahlreiche Zuhörer kommen zur ersten Krimi-Nacht ins Amtsgericht. Das kündigt bereits eine Wiederholung an.

Thekla Kraußeneck

Krimi, Kunst und Klarinette: Eine solche Verbindung von Kultur und Juristerei hatte sich der Geschäftsführer des Amtsgerichts, Dietmar Galuschka, schon lange gewünscht. Eine Verkettung glücklicher Umstände ließ seinen Wunsch nun in Erfüllung gehen. Als Elisabeth Kurzweil Anfang Januar neue Direktorin des Wolfratshauser Gerichts wurde, ließ sie sich von Galuschkas Visionen sofort begeistern.

Starke Resonanz: Die erste "hinterhältige Krimi-Nacht" kam beim Publikum bestens an. (Foto: Hartmut Pöstges)

Etwa zur gleichen Zeit ging ein spontaner Anruf von Assunta Tammelleo, Wirtin der Geltinger Kulturkneipe "Hinterhalt", ein, die sich Gedanken über einen originellen Ort für eine Krimi-Lesung gemacht hatte. "Im Münchner Justizpalast gibt es öfter Lesungen", sagt Tammelleo, selbst auch Juristin, "aber nicht im Amtsgericht." Das war einmal: Nach fast einjähriger Planung hatte die erste kriminalistische Kultur-Nacht am Mittwoch großen Erfolg, die nächste Veranstaltung ist bereits in Planung.

Dass der Krimi mit dem Amtsgericht noch mehr gemein hat als das Verbrechen, zeigte Kurzweil in ihrer Ansprache mit einem Zitat auf: "Die Fähigkeit, sorgfältig lesen zu können, macht schließlich den Kern unseres beruflichen Repertoires aus und begründet unsere wunderliche Verwandtschaft mit den Gattungen der Literatur und der Poesie."

Nicht nur der juristische Buchautor Joseph Weiler, von dem dieses Zitat stammt, verband Literatur auf geschickte Weise mit der Juristerei, historische Vorbilder sind etwa in Gestalt Ciceros bis in die römische Antike hinein zu finden. "Juristen wie Literaten arbeiten mit dem Wort", sagte die Direktorin, "der Kriminalfall verbindet sie obendrein."

Um einen solchen Fall geht es auch in dem Provinzkrimi "Böser Mann" des Autors Franz Xaver Roth, der am Mittwoch daraus las und der eigentlich den nach Ansicht des Verlags "unbayerischen" Namen Stephan Wantzen trägt. Sein Pseudonym habe sich der Krimi-Autor bei Franz Roth ausgeliehen, einem Mittelfeldspieler des vorigen Jahrhunderts, der für seine scharfen Schüsse bekannt war.

Mit einem gesunden Maß Selbstironie und vor allem seiner grenzenlosen Liebe zum Fußball gewann er seine Zuhörer im Handumdrehen für sich. Angesprochen fühlte sich das Publikum schon deshalb, weil die Geschichte im Münchner "Speckgürtel" spielt, zu dem auch Wolfratshausen gehört. Der 54-Jährige ließ sich von seinem Heimatort Vaterstetten und seiner dortigen Stammkneipe inspirieren, die als Kaschemme "Hammer-Eck" des Wirts und Ermittlers wider Willen Luginger zum Fixpunkt der Handlung wird.

Gewürzt wird das Ganze neben dem Fußball mit einer Prise Lokalpolitik, viel Vorstadtklatsch und einer Reihe individueller Figuren, die mit beiden Beinen auf dem Boden des fiktiven Dorfs Leuterding stehen. Die typisch oberbayerische Kleinstadtstimmung hat Wantzen dabei so lebendig eingefangen, als habe er im heimischen Lokal Protokoll geführt.

Für zusätzliche Atmosphäre sorgte Heinrich Zapf vom Trio Zakk, der die Pausen mit virtuoser Klarinettenmusik füllte. Die mehr als 100 Gäste im Sitzungssaal belohnten die beiden dafür mit viel Gelächter und Applaus.

Am selben Abend eröffnete der Wolfratshauser Grafiker Marc Ganea seine Ausstellung zum Thema "Relikte" im Foyer des Amtsgerichts. Die außergewöhnlichen Aquarelle von Tieren, Landschaften und Skeletten können noch voraussichtlich zwei Wochen besichtigt werden. Die Vernissage nutzte Gerichtssprecher Galuschka für seine Eröffnungsrede, in der er betonte, wie sehr er hoffe, dass es noch viele Abende dieser Art im Amtsgericht Wolfratshausen geben werde. Die nächste Lesung ist für April 2012 geplant.

© SZ vom 18.11.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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