Wolfratshausen:Denkmal ohne Schutz

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Die Stadt will ihr früheres Krankenhaus zu Geld machen - und bietet die Fläche für Neubauprojekte an.

Wolfgang Schäl

An großen Baustellen herrscht in Wolfratshausen kein Mangel, und bald könnte in zentraler Lage eine weitere dazu kommen: Die Stadt bietet derzeit ihr Filetstück, das Areal an der Ecke Sauerlacher Straße/Floßkanal, zur Verwertung an. Die Transaktion wird aller Voraussicht nach einhergehen mit einer deutlichen Veränderung des Stadtbilds, denn niemand zweifelt daran, dass Projektanten das Areal maximal nutzen werden. Damit wäre es unausweichlich, dass ein weiteres historisches Gebäude aus dem Stadtbild verschwindet - das alte Wolfratshauser Krankenhaus stünde einer Bebauung im Weg.

In seinem derzeitigen Zustand fällt das Haus aus dem Jahr 1823 in seinem bauhistorischen Wert meist nur noch Kennern auf. Für die lokale Medizingeschichte ist das alte Wolfratshauser Krankenhaus nach Ansicht des Historischen Vereins indes von großer Bedeutung. (Foto: Hartmut Pöstges)

Abbruchgenehmigung für Altbestand liegt vor", heißt es in der Immobilienofferte, die auf der Wolfratshauser Stadt-Homepage veröffentlich ist. In dem Angebot wird auch auf die "zentrale Wohn- und Geschäftslage" der 1449 Quadratmeter umfassenden Fläche hingewiesen. Veräußert werden soll sie in Erbpacht, sie würde also irgendwann wieder in den Besitz der Stadt zurückfallen.

Drei Anfragen von Interessenten lagen bereits vor Veröffentlichung des Inserats vor, nun will die Stadt weiteren potentiellen Käufern beziehungsweise Pächtern die Chance bieten, sich zu bewerben. Das Bauamt verschickt noch bis 20. April Unterlagen, danach soll die Liste geschlossen werden. Übernehmen können Bewerber das Gebäude "im entmieteten Zustand" - man werde die Bewohner "sozialverträglich umsiedeln", sagte Bürgermeister Helmut Forster gestern. Auf der Liste der verwertbaren Grundstücke stehe das Areal schon seit 1996.

Juristisch muss die Stadt nicht mit Komplikationen rechnen, denn für das Areal liegt ein rechtskräftiger Bebauungsplan vor, der eine hohe Baudichte mit bis zu fünf Stockwerken zulässt. Außerdem existiert eine Abbruchgenehmigung der Kreisbehörde aus dem Jahr 2006, die 2010 erneuert wurde. Das Gebäude wurde entgegen einer ausdrücklichen Empfehlung des Landesamts für Denkmalschutz von der von der Liste erhaltenswerter Gebäude gestrichen. Die Behörde hatte festgestellt, dass ein Abbruch "aufgrund der heimatkundlichen und bautypologischen Bedeutung auf keinen Fall hingenommen werden" könne.

Unabhängig davon hat der Stadtrat längst einen Grundsatzbeschluss gefasst, das Grundstück zu verkaufen. Die Entscheidung fiel schon in der Ära von Bürgermeister Reiner Berchtold bei einer Klausursitzung. "Die Stadt kann nicht jedes alte Gebäude erhalten", sagt CSU-Fraktionssprecher Manfred Fleischer, der zugleich bekennt: "Mein Herzblut hängt jetzt nicht gerade an dem alten Krankenhaus." Freilich könne man das auch anders sehen.

Das tut erwartungsgemäß der Historische Verein. Dort hat sich soeben eine Arbeitsgruppe konstituiert, die an einem neuen Buch über Medizingeschichte arbeitet, ein eigenes Kapitel darin soll dem alten Krankenhaus gewidmet sein. "Es wäre jammerschade, wenn das Haus ausgerechnet dann abgerissen wird, wenn wir drüber schreiben", sagt Bernhard Reisner, der Zweite Vorsitzende des Vereins. Er könnte sich gut vorstellen, "einen Runden Tisch einzuberufen", um Perspektiven für das Haus zu entwickeln. Es sei eines jener "Schlüsselobjekte", die es zu erhalten gelte. Falls dies nicht gelinge, "würde vor unseren Augen" wieder ein Stück Stadtgeschichte verschwinden.

Es wäre ein Stück, das bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht. "Im Jahr 1823 wurde dahier ein neues Krankenhaus erbaut und dasselbe am 16. Februar 1824, am Tage der Jubelfeier der 25-jährigen Regierung des Königs Max I. eröffnet", stellt der Königliche Oberamtsrichter Friedrich Jocham in seiner "Geschichte der Grafschaft und des Marktes Wolfratshausen" fest.

Die Sauerlacher Straße, an der es lag und liegt, hieß damals "Nantweiner Fahrweg", das Krankenhaus war auf Beschluss des Armenpflegschaftsrates als "Kranken-, Armen und Leichenanstalt" errichtet worden. Im Erdgeschoss befanden sich eine Kapelle, die Beisetzkammer und die Wohnung des Hausmeisters, im ersten Stock die eigentliche Kranken- und Armenanstalt. Erst 60 Jahre später wurde ein Badezimmer eingebaut.

© SZ vom 17.04.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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