Walchensee-Museum:Lovis Corinth im heimatkundlichen Rahmen

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Seltene Graphiken und Radierungen: Der Sammler Friedhelm Oriwol hat Werke des Malers Lovis Corinth in seinem Walchensee-Museum gesammelt.

B. Szymanski

Der Blick von der Terrasse des Cafés vor dem Walchensee-Museum in Urfeld wirkt wie ein sorgfältig komponiertes Gemälde. Unmöglich, sofort einzutauchen in die Bilderwelt des Museums, in dem grafische Raritäten von Lovis Corinth, Gemälde seiner begabten, aber lange nicht so bekannten Frau Charlotte Berend-Corinth, Webereien von Maria Marc, der Ehefrau von Franz Marc, sowie eine unüberschaubare Anzahl heimatkundlicher Gegenstände und alten Postkarten.

"Bei den Corinthern": Die Ausstellung von Lovis Corinth im Walchensee-Museum. (Foto: WOR)

Erst einmal diesen Blick genießen, auf die Oberfläche des Walchensees schauen, in dem sich die bläuliche Berg- und Hügelkette im Süden und ein Stück des Himmels widerspiegelt. Silberfarben, blau, stellenweise tiefgrün ruht still der See.

Als Staffage können die weißen Segelboote und kunterbunten Surfer gelten, die nur so dahinflitzen im verlässlich wehenden Wind. Kein Wunder, dass Wandermaler, Hobbymaler aber auch bekannte Künstler fasziniert waren und sind und die Gegend um den Walchensee zu ihrem Lieblings-Sujet erklärt haben. Der bekannteste von allen ist Lovis Corinth, der unter anderem durch seine Walcheseebilder vollends weltberühmt wurde. Gründer und Betreiber des Museums ist Friedhelm Oriwol, aus Schlesien stammender gelernter Maurer, Bauingenieur und Immobilienbesitzer.

Er ist ein fast schon fanatischer Sammler. Fing vor einigen Jahrzehnten an, erst Postkarten, dann Alltagsgegenstände, Antiquitäten, naive Bilder und Raritäten aus seiner geliebten Wahlheimat Urfeld und Umgebung zu sammeln, um dann zu erkennen: "Nur solche Gegenstände in einem Museum auszustellen ist ein Risiko. Lovis Corinth und andere Maler müssen im Mittelpunkt stehen", sagt Oriwol, dem seine 77 Jahre nicht anzumerken sind. "Je älter ich werde, desto mehr mache und kämpfe ich", sagt er und seufzt ein wenig.

Dennoch hat er das ziemlich heruntergekommene Haus, dessen Ursprünge auf das 17. Jahrhundert zurückgehen, mit viel Liebe zum Detail zu einer Mischung aus Kunst- und Heimatkundemuseum umgebaut. Er hat es aber nicht mit der womöglich zugkräftigeren Bezeichnung Lovis-Corinth-Museum versehen, sondern die Einrichtung einfach nur Walchenseemuseum genannt. Sein Ziel hat er mit dem aufwendigen Umbau der einstigen Poststation und dem späterem Restaurant erreicht: Genau zum 150. Geburtstag von Corinth hat er die Sammlung 2008 eröffnet.

Friedhelm Oriwol ist nicht nur ein Sammler, sondern inzwischen auch Corinth-Kenner. Er muss auf keine Notizen zurückgreifen, wenn er aus dem bewegten Leben des Künstlers erzählt, seiner "Malschule für Weiber" in Berlin, Corinths begabter Frau oder Berühmtheiten, die genau wie er dem Walchensee verfielen. Dann ist er nicht zu bremsen. Nicht weniger imponieren Oriwol die Eskapaden des weltgewandten und sinnenfreudigen Lebemannes Corinth, dessen Chauvinismus und natürlich auch dessen malerisches Genie. Er liest alles, was mit Corinth zu tun hat, und verinnerlicht es. Ob alles auch stimmt, weiß er nicht so genau.

Aber es macht Spaß, Geschichten zu hören wie diese: Corinth habe zu seiner malenden Frau gesagt, dass der Walchensee ihm allein gehöre. Sie solle sich anderen Motiven zuwenden. Oder jene, dass der Maler seinen 60. Geburtstag in eben dem jetzigen Museum - damals Poststation - gefeiert habe, ziemlich betrunken gewesen sei, und dass die Telegrafenstation unter den vielen Glückwünschen fast zusammenbrach. "Ich mag seine Selbstständigkeit, seine Wildheit, Leidenschaften und sein Durchsetzungsvermögen", sagt Oriwol, der sich selbst keine andere Leidenschaft als lebenslanges Sammeln und Ausstellen erlaubt.

Was Oriwol an Corinth als Maler gefällt, ist rasch gesagt: Er habe schnell und treffsicher gearbeitet. "Viele seiner Grafiken haben eine starke Ausdruckskraft und brauchen keine langatmigen Erklärungen." Außerdem gesteht der Museumsbesitzer, dass ihn die Grafiken weit stärker ansprechen als die Ölbilder.

Davon ist ohnehin kein einziges in die eifrigen Sammlerhände von Oriwol geraten. Wohl aber erlesene und seltene Grafiken wie das fast komplette Alphabet von Corinth. Zu den Buchstaben hat sich dieser Ungewöhnliches einfallen lassen: F wie Faun, M wie Monster oder Q wie Quichote. Frech und sinnenfreudig auch die Grafiken, die nach dem Hohelied des Salomon im Alten Testament entstanden sind sowie Lithos und Radierungen von den Kindern von Corinth und einige mit Motiven vom Walchensee-Gebiet.

Doch die Bilderwelt im Walchenseemuseum ist nicht nur schwarzweiß. Zauberhafte Aquarelle des englisch-deutschen Malers Edward Harrison Compton und auch einige Bilder von Corinths begabter Frau, von weniger bekannten Malern wie Peter Emil Recher, Otto Pippel sowie frivole Farblithos der wildesten Frau der Weimarer Republik - der Tänzerin und Dadaistin Anita Berber. Und es gibt einige Gemälde von ambitionierten Wander- und Hobbymalern, die das alte Urfeld und den Walchensee darstellten - auch diese ein Stück Heimatkunde.

Wer mit Friedhelm Oriwol durch die Bildergalerie geht, kann nicht nur wundervolle Grafiken, naive und akademische Ölbilder und bäuerliche oder künstlerisch ausgereifte Aquarelle sehen, sondern sich auch mit ihm freuen: Charlotte Berend-Corinth, deren weltberühmter Mann den Walchensee künstlerisch für sich alleine beanspruchte, hat posthum Genugtuung erfahren: Ein expressionistisches Porträt von ihr hängt als Blickfang inmitten seiner Grafiken.

© SZ vom 21.09.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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