Vorbereitung auf das Vorspiel:"Üben ist das Schönste"

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An der Musikschule Wolfratshausen stehen einmal im Jahr die Lehrer auf der Bühne. Wie bereiten sie sich vor? Was tun sie gegen Lampenfieber?

Protokoll von Stephanie Schwaderer

Üben, üben, üben! Diese Erfolgsformel gilt nicht nur für Ausnahmetalente, die derzeit wieder bei "Jugend musiziert" antreten. Jeder Schüler, der ein Instrument lernt, weiß, dass ohne Disziplin und Beharrlichkeit wenig vorangeht - spätestens, wenn ein Vorspiel ansteht. Aber wie halten es die Lehrer damit? Und was empfehlen sie gegen Lampenfieber? 13 Pädagogen der städtischen Musikschule Wolfratshausen laden am Sonntag, 10. Februar, zu ihrem traditionellen Lehrerkonzert ein. Die SZ hat mit sechs von ihnen gesprochen.

Heinrich Zapf

(Foto: Hartmut Pöstges)

Üben ist das Schönste. Üben bringt Lebensfreude. Wenn ich übe, geht es mir gut. Und wenn es mir einmal schlecht geht, sagt meine Frau immer: Geh üben! Ich spiele seit 51 Jahren Klarinette. Aber auch Lehrer brauchen manchmal den Druck, und darin liegt der Vorteil eines solchen Vorspiels: Wenn man ein Ziel hat, übt man. Und dann macht es auch einen Riesenspaß, mit Musikern zu spielen, die alle etwas können. Ich bin am Sonntag im zweiten Teil dran, wo es eher um Unterhaltungsmusik geht. Da spiele ich mit acht Kollegen drei Stücke, die ich für uns arrangiert und bearbeitet habe: "Die Frau von ungefähr" von den 17 Hippies, eine Polka und ein Klezmer-Stück.

Vor einem Konzert ist es wichtig, sich mental vorzubereiten, das Stück noch einmal zu durchdenken, es möglichst einmal durchzusingen. Das mache ich immer, weil man dabei die Dynamik viel intensiver spürt als am Instrument. Meine Empfehlung: Am Tag vor einem wichtigen Vorspiel nicht mehr üben, lieber gut schlafen und locker rangehen. Und wenn tatsächlich etwas schief geht, nicht ärgerlich schauen oder fluchen, sondern fröhlich weiterspielen. Das musste ich auch erst lernen. Grundsätzlich ist es immer besser, emotional und berührend zu spielen und dabei einen Fehler zu riskieren, als auf Sicherheit zu gehen und zu langweilen. Als Zuhörer nimmt man das mit, was ans Herz geht. Ein Fehler ist gleich vergessen.

Rainer Krüger

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ich freue mich immer auf dieses Vorspiel, weil dann einmal wir Lehrer zeigen dürfen, was wir draufhaben. Das ist auch für unsere Schüler interessant. Als Gitarrist spiele ich von Jahr zu Jahr mit ganz unterschiedlichen Kollegen, mal Gitarre/Gesang, mal Gitarre/Flöte und in diversen größeren Besetzungen. Heini Zapf versorgt uns dafür mit dem Notenmaterial, aber eine richtige gemeinsame Probe gibt es manchmal erst eine Stunde vor dem Konzert. Nervös bin ich schon immer mal wieder, vor allem wenn ich im Mittelpunkt stehe und ein schweres Stück vor mir habe. Ich versuche dann, mir zu suggerieren, dass ich gut spiele. Ob das funktioniert, ist immer von der Tagesform abhängig. Manchmal erwischt es einen kalt, dann fangen plötzlich die Finger zu zittern an. Ich unterrichte seit 30 Jahren, aber ich konzertiere nicht häufig. Deshalb bin ich in dieser Hinsicht nicht wirklich in Übung. Das einzige, was man sich in solchen Momenten sagen kann: Augen zu und durch!

Josi Vorbuchner

(Foto: Hartmut Pöstges)

Als ich vor 20 Jahren an diese Schule gekommen bin, habe ich das Lehrervorspiel ins Leben gerufen. Sonst unterrichtet man ja immer nebeneinander her, manche Kollegen begegnen sich im Alltag nie. Das ist also eine gute Gelegenheit, sich auch einmal musikalisch kennenzulernen. Am Sonntag spiele ich auf der Violine unter anderem zwei Sätze aus einer Solo-Sonate von Bach. Weil ich viel konzertiere, muss ich mich dafür nicht extra vorbereiten. Wir streben ja keine Aufnahmequalität an. Es geht eher um die Gaudi und darum, dass auch die Schüler uns einmal hören können. Aber auf ein wichtiges Solo-Konzert arbeite ich schon zwei, drei Monate gezielt hin, und die Schlagzahl der Übungsstunden erhöht sich. Zuletzt sind es drei, vier Stunden täglich. Man braucht eine gewisse Kondition, um ein solches Konzert durchzustehen, ohne müde zu werden. Und man muss voll in seinem Instrument sein. Das ist wie beim Sport: Du musst die Abläufe trainieren, Automatisierungen entwickeln. Und wenn man sich verspielt: Cool bleiben! Herr Müller in Reihe 17 mit dem Hörgerät hat den Fehler eh nicht bemerkt. Ein Ton ist nach zwei Sekunden verhallt. Ein Musiker, der Reaktion zeigt, lenkt sich selbst am meisten ab.

Sigrid von Kracht

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ich bin vom Typ her jemand, der gerne auf der Bühne steht. Das gehört für mich einfach zum Musikmachen. Und dazu zwinge ich auch meine Schüler bis zu einem gewissen Grad. Wer bei mir beginnt, ein Instrument zu lernen, ist schon beim nächsten Vorspiel mit dabei. Vor einem Publikum liefert jeder etwas anderes ab als in der Stunde oder beim Üben daheim - das gilt auch für die Schüler, die vor einem Auftritt Angst haben. Grundsätzlich müssen Lehrer vor einem Konzert genau das Gleiche machen wie sie: Üben. Auf der Geige schöne, weiche, klingende Töne zu spielen, ist genauso schwierig, wie das hohe H zu treffen. Es gibt die Theorie, dass man eine bestimmte Bewegung 700-mal ausführen muss, bis sie sitzt. Am Sonntag werde ich am Vormittag noch einmal gepflegt üben, das heißt: Ich höre gut hin, spüre in die Töne hinein, versuche, eine weiche Hand zu haben und spiele die schnellen Stellen noch einmal langsam. Mittags gibt es eine gute Suppe zur Stärkung. Ich spiele diesmal mit Kollegen einen Satz aus Schuberts Forellenquintett und eine Trio-Sonate von Telemann. Besonders freue ich mich auf die Stücke von Heini Zapf, die sind immer super.

Lorenz Rutigliano

(Foto: Hartmut Pöstges)

Bei der Vorbereitung auf ein solches Konzert haben wir Jazzer es leicht: Jazzer sind immer vorbereitet - zumindest, wenn es um Standards geht. Dieses Repertoire hat man drauf. Ich spiele am Sonntag Schlagzeug mit einem Jazz-Quartett. Bislang wissen wir nur, dass wir 15 Minuten haben. Spielen wir Swing? Bossa Nova? Oder eine ruhige Ballade? So etwas spricht man vor dem Konzert noch ab, was dann passiert, wird sich zeigen. Das Besondere beim Jazz ist ja, dass der Großteil improvisiert ist, jedes Stück klingt jedes Mal anders. Bei einem Lehrerkonzert bin ich nicht wirklich nervös, das ist so ein vertrauter Rahmen. Anders ist es, wenn ich etwa mit dem Auwald Trio auftrete. Da spielen wir keine Standards, sondern eigene Stücke von unserem Pianisten, und dafür müssen wir auch richtig üben. Meinen Schlagzeug-Schülern rate ich, sich regelmäßig mit dem Instrument zu befassen. Gut wären 20 Minuten am Tag. Genauso wichtig ist es, viel Musik zu hören, damit man die Sprache dieses Instruments erlernt, bei uns geht es ja weniger um Noten. Als Lehrer versuche ich, Impulse zu geben und das Interesse meiner Schüler auf Stücke zu lenken, die sie sonst nicht anhören würden. Das A und O ist die Liebe zur Musik.

Andreas Unterreiner

Andreas Unterreiner. (Foto: Hartmut Pöstges)

Lehrer bin ich nur an zwei Tagen in der Woche, ansonsten bin ich Musiker und deshalb übe ich selbstverständlich täglich. Das gehört für mich einfach zum Leben dazu. Als ich selbst Trompete an der Musikschule gelernt habe, ist das nicht immer so gewesen. Da musste ich mich manchmal auch zwingen. Heute fehlt mir etwas, wenn ich nicht üben kann. Und nach zwei Tagen Pause merke ich schon, dass etwas wegbricht. Die erste Stunde spiele ich immer direkt nach dem Frühstück. Ideal wäre es, dreimal am Tag 45 Minuten zu üben. Meinen Schülern rate ich: Zweimal eine Viertelstunde ist besser als einmal eine halbe. Vor einem Konzert sollte man allerdings zurückhaltend sein, um Kraft zu sparen. Die braucht ein Trompeter vor allem in der Ansatzmuskulatur. Das Wichtigste vor einem Auftritt ist, seine Stücke zu beherrschen. Das sage ich auch meinen Schülern: Wenn man ein guter Trompeter ist, kann nichts schiefgehen. Ich selbst bin nervositätsbefreit, das ist ein Geschenk. Worauf ich mich am Sonntag freue, ist, die anderen Lehrer zu hören und mit unserem Jazz-Quartett zu spielen - mal schauen, was passiert. Und der Heini hat sicherlich wieder etwas Verrücktes für uns vorbereitet.

Kammerkonzert des Lehrerkollegiums, Musikschule Wolfratshausen, Sonntag, 10. Februar, 17 Uhr, Eintritt frei

© SZ vom 09.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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