Von Icking im Isartal nach Castelluccio in Umbrien:Solidarität über Grenzen hinweg

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Das Erdbeben hat in Castelluccio verheerend gewirkt. (Foto: Privat/oh)

Der Notarzt und Gemeinderat Christoph Preuss sammelt zusammen mit dem Schäftlarner Abt Petrus Höhensteiger für italienische Erdbebenopfer

Von Claudia Koestler, Icking/Schäftlarn

Das Bild von blauen Kornblumenblüten und rotem Klatschmohn zwischen weißen Linsenblüten auf einer Hochebene umringt von Bergen ist nach wie vor spektakulär. Doch als die Kamera das Dorf auf einem Inselberg in den Fokus nimmt, wird deutlich: Das Pittoreske ist Vergangenheit. Große Schuttberge zwischen Häuserruinen zeugen von einer Naturkatastrophe, die den einst so blühenden italienischen Ort in Schutt verwandelt hat. Dass der Ickinger Notarzt und Gemeinderat Christoph Preuss kürzlich eine Dokumentation über das Dorf Castelluccio di Norcia im Kloster Schäftlarn zeigte, hat einen Grund: Mit der Hilfe von Abt Petrus Höhensteiger hat Preuss eine Hilfsorganisation ins Leben gerufen, die den von einem Erdbeben betroffenen Menschen des umbrischen Dorfes hilft.

Preuss kennt Castelluccio di Norcia seit seiner Jugend. Denn es liegt in den Sibillinischen Bergen, wo er als Jugendlicher oft zum Wandern war. "Die Menschen dort haben mich immer freundlich aufgenommen", erinnert er sich. Begeistert hatte ihn zudem stets, dass die Bevölkerung dort eine sehr naturnahe Landwirtschaft betreibt, im Einklang mit ihrer Umgebung. Die Linsen der umliegenden Felder sind berühmt, zudem halten viele dort Schafe, auch einen Pferdezüchter gibt es.

Als es am 30. Oktober 2016 zu einem großen Erdbeben kam, stürzten viele der Häuser komplett ein. "Etwa zwei Drittel des Dorfes waren zerstört", berichtet Preuss. Zwar gab es keine Toten zu beklagen, doch mit einem Schlag waren die rund 200 Einwohner obdachlos, das Dorf von der Außenwelt abgeschnitten. Sie zu Verwandten auszufliegen war nicht für alle eine dauerhafte Option: Diejenigen, die dort überwiegend von der Landwirtschaft lebten, konnten und wollten ihre Tiere nicht unversorgt zurücklassen. Zumal es in den umliegenden Bergen Wölfe und Bären gibt. In der Folge harrten Schäfer, Bauern und Hirten in den vergangenen zwei Wintern bei ihren Tieren unter widrigsten Bedingungen in provisorischen Behausungen aus. Denn die Wintertemperaturen sind in der rund 1400 Meter hohen Region vergleichbar mit denen im bayerischen Oberland.

Staatliche Hilfe komme nur sehr schwer in Gang. "Es gibt einen Bagger und einen Lastwagen", erzählt Preuss. "Wenn der Laster voll Bauschutt ist, steigt der Baggerfahrer aus, steigt in den Lastwagen und fährt den Schutt weg. In der Zwischenzeit passiert nichts", schildert er. Dieser schleppende Fortschritt beim Wiederaufbau zermürbe die Bevölkerung. Auch Abt Petrus Höhensteiger weiß: "Die Menschen haben Angst vor dem nächsten Winter und davor, dass sie völlig allein gelassen werden."

Preuss hatte bereits zuvor geholfen: Der Arzt koordinierte nach dem Erdbeben im August 2016 die Hilfseinsätze des Roten Kreuzes in den mittelitalienischen Regionen, weil er sich dort auskennt und zudem die Sprache spricht. Als es wenige Wochen darauf auch Castelluccio di Norcia traf, wollte er nicht untätig bleiben. Preuss kontaktierte das Kloster Schäftlarn und stieß beim Abt auf offene Ohren. "Diese Region ist nicht nur für uns Benediktiner von Bedeutung, weil der Vater des abendländischen Mönchtums, der Heilige Benedikt, dort geboren und aufgewachsen ist", erklärt er. Vielmehr werde man dort "auch an die Wurzeln unserer Kultur erinnert, da der Heilige Benedikt auch Patron Europas ist".

Insbesondere dieser Flecken, der bislang eben nicht im Fokus des öffentlichen Interesses stehe, brauche nun dringend Hilfe und Unterstützung. Durch die Kooperation mit dem Kloster wiederum kann Preuss garantieren, dass Geld direkt bei den Bewohnern ankomme. Weil die Spenden über das Treuhandkonto von Missio München laufen, können zudem Quittungen ausgestellt werden.

Im vergangenen Jahr konnte Preuss bereits genug Spenden generieren, dass die Bewohner dort einen Container als beheizten Aufenthaltsraum erhielten. Preuss ließ auch politische Kontakte spielen. So gibt es inzwischen die Hoffnung, dass in Kürze Notunterkünfte aufgestellt werden. Nun aber will der Ickinger weitere Gelder aufbringen, um ein Gemeinschaftshaus bauen zu lassen. "Ein solches Gebäude wäre für die Italiener enorm wichtig", sagt er. Zum einen als Versammlungsort, aber auch als Schule: "Es muss wieder Leben ins Dorf kommen." Es könne nicht angehen, dass Familien weiter zerrissen würden.

Letztlich aber geht es Preuss nicht alleine um Geld, sondern auch um die Geste: "Sie sollen merken, es gibt Solidarität, sie sind nicht alleine. Icking, Schäftlarn und ganz Bayern stehen ihnen zur Seite."

Spenden sind möglich an: Missio München, IBAN: DE96 7509 0300 0800 0800 04; BIC: GENODEF1M05, Verwendungszweck: 58005-1073, Castelluccio di Norcia

© SZ vom 05.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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