Vier Tonnen Zeugnis harter Arbeit:Der Flößer kommt auf Rädern

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Drei Eichenstämme und eine vier Meter hohe Stahlplatte hat Holzbildhauer Jürgen Batscheider für sein Flößerdenkmal zusammengefügt. Über die Jahre wird das Metall "eine wunderschöne rotbraune Patina bekommen". (Foto: Kurt Übele/oh)

An diesem Donnerstag liefert der Memminger Bildhauer Jürgen Batscheider seine Skulptur in Wolfratshausen ab

Interview von Stephanie Schwaderer

Vor kurzem hat Jürgen Batscheider in Le Vernet in den französischen Alpen seine "Sonnenkugel" enthüllt - eine aus 149 vergoldeten Einzelteilen zusammengefügte Kugel mit fünf Metern Durchmesser, die an die Opfer des Germanwings-Flugs vom 24. März 2015 erinnern soll. Der Memminger Bildhauer war im Vorjahr als Sieger eines von der Lufthansa ausgelobten internationalen Wettbewerbs hervorgegangen. Zugleich gewann Batscheider noch einen zweiten Wettbewerb - in Wolfratshausen. Der 54-Jährige ist Schöpfer des neuen Flößer-Denkmals, das an diesem Donnerstag an der Pfaffenrieder Straße aufgestellt wird.

SZ: Sind Sie schon einmal Floß gefahren in Wolfratshausen?

Jürgen Batscheider: Nein, bisher hat das Wetter nicht gepasst. Aber es steht auf meiner Agenda.

Wie haben Sie sich dem Thema Flößerei dann genähert?

Mein zentrales Thema ist seit langem das Wasser. Jedes Jahr arbeite ich zwei Monate in Südfrankreich, dort habe ich ein Atelier direkt am Meer. Wasser, Wellen - eine Dreidimensionalität, die ständig in Bewegung ist, das ist so komplex! Um das künstlerisch zu begreifen und umzusetzen, muss man den Wind in den Haaren spüren. Im Fall des Flößerdenkmals war mein Zugang allerdings eher das Holz. Ich bin Holzbildhauer, dieser Werkstoff fasziniert mich. Wenn wir ein eingeschweißtes Brett aus dem Baumarkt holen, denken wir nicht darüber nach, dass wir ein Stück von einem Baum in den Händen halten, der womöglich Hunderte Jahre gelebt hat. Auch das Gewerbe der Flößerei ist uralt. Darüber gibt es viele Geschichten. Ich kann mir gut vorstellen, welche Kraft und welchen Mut es damals erfordert hat, auf einem Floß zu stehen.

Mittlerweile sitzt man ja eher und trinkt eine Maß Bier.

Ja, aber früher gab es die Maß vermutlich erst hinterher, wenn alles gut gegangen war. Ich hätte mich das damals jedenfalls nicht getraut.

Der Blickfang Ihrer Skulptur sind drei geschälte Stämme. Wissen Sie, wo die Bäume standen?

Natürlich: Das sind drei Eichen aus dem Memminger Stadtwald, die bereits gefällt waren. Ich wollte ein starkes Holz haben. Eichenholz enthält Gerbsäure, weswegen es so lange haltbar ist. In Verbindung mit Feuchtigkeit kommt es zur Oxidation und der Stahl färbt sich in ein violettes Schwarz. Um diesen Prozess zu beschleunigen, haben wir die Skulptur in den vergangenen Tagen ins Freie gestellt - ich war wohl der Einzige weit und breit, der sich über den vielen Regen gefreut hat. Die Platte wird über die Jahre eine wunderschöne rotbraune Patina bekommen.

Die Stämme sind 2,50 Meter lang, die Platte ist mehr als vier Meter hoch - Sie haben in Memmingen offenbar ein geräumiges Atelier?

Nein, aber einen guten Freund, der auf einem Einödhof lebt. Kurt Übele ist der beste Schlosser, den ich kenne. Wir haben schon viele Projekte gemeinsam realisiert. Bei einer solchen Arbeit muss man mit einem Spezialisten, einem Metaller, zusammenarbeiten. Die Figur des Flößers haben wir mit einem Wasserstrahlschneider bei einem Druck von 4000 Bar aus der Platte geschnitten - das Wasser schießt da regelrecht durch den Stahl. Zudem wiegt das Ganze vier Tonnen, da sind gewaltige Kräfte am arbeiten. Aus Stabilitätsgründen haben wir deshalb noch ein paar Dinge im Vergleich zum Modell modifiziert.

Vor sechs Wochen haben Sie Ihre Sonnenkugel offiziell übergeben, nun das Flößerdenkmal. Wie haben Sie es geschafft, diese beiden Aufträge parallel zu erfüllen?

Mit viel Disziplin. Und vielen Nachtschichten. Ich bin abgetaucht, die letzten sechs Monate war ich praktisch für niemanden zu erreichen.

Hat Sie die Sonnenkugel auch emotional gefordert?

Ohne Emotion und Empathie hätte ich das nie machen können. Aber das gilt für alle meine Arbeiten. Man muss mit Herzblut dabei sein, sonst kann man es bleiben lassen. Meine Maxime ist es, nur Sachen abzuliefern, die ich gerne selber behalten würde. Bevor mir eine Arbeit nicht hundertprozentig gefällt, höre ich nicht auf.

Wenn die Wolfratshauser den Flößer nicht haben wollen . . .

. . . stelle ich ihn in meinem eigenen Skulpturenpark an einen kleinen Teich, da würde er wunderbar hinpassen.

Wie kommt der Flößer nach Wolfratshausen?

Auf Rädern. Am Kreisel im Gewerbegebiet erwartet uns ein Autokran. Wir haben alles fertig vormontiert - eine Viertelstunde, und er sollte stehen.

Der Flößer wird an diesem Donnerstag, 11. Mai, gegen 13 Uhr am Kreisel im Wolfratshauser Gewerbegebiet erwartet; der Termin für eine Einweihung der Skulptur steht noch nicht fest. Vom 18. bis zum 21. Mai findet in der Stadt der 30. Deutsche Flößertag statt, Höhepunkt ist die Johannisfloßprozession am 20. Mai.

© SZ vom 11.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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