Umstrittenes Gewächs:Eine wunderbare Art

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Viel geliebt, aber auch viel gescholten: Warum ausgerechnet die Fichte der Baum des Jahres ist

Von Jana Spielmann, Bad Tölz-Wolfratshausen

Die Fichte polarisiert wie kaum ein anderer Baum: Wegen der hohen Holzerträge, die sie liefert, ist sie enorm wichtig für die Forstwirtschaft. Gleichzeitig ist sie aufgrund ihres Anbaus in Monokulturen in Verruf geraten. Die Silvius-Wodarz-Stiftung hat die Fichte nun zum Baum des Jahres 2017 gekürt. "Man kann zur Fichte stehen wie man will - doch haben wir ihr einiges zu verdanken", sagt Silvius Wodarz. Die Stiftung freue sich, über diesen ganz besonderen Baum diskutieren zu können.

Seit 27 Jahren ruft die Stiftung den Baum des Jahres aus. Der Wolfratshauser Förster Robert Nörr ist mit der Fichte zufrieden: "Es ist durchaus sinnvoll, dass die Wahl auf die Fichte gefallen ist." Schließlich gehöre sie zu den häufigsten Bäumen in Deutschland. Auch im bayerischen Oberland mache die Fichte rund 57 Prozent des Waldbestandes aus.

Ursprünglich aus der Taiga stammend, verbreitete sich die Fichte natürlicherweise eher in kühleren Gebieten - in Deutschland vor allem in den höheren Regionen der Mittelgebirge, in den Alpen und in Mooren. Mit dem Beginn der Industrialisierung und dem Wachstum der Städte im 18. Jahrhundert wurden Nadelhölzer in großen Mengen als Baumaterial und Rohstoff benötigt. Die Fichte ist der Wodarz-Stiftung zufolge auch der Symbolbaum für die gelungene Wiederbewaldung in Deutschland. Im 17. Jahrhundert gab es wegen vorangegangener Misswirtschaft in Deutschland nicht mehr sehr viel Wald. Durch neu entstehende, geregelte Forstwirtschaft wurden weite Teile aufgeforstet, oft aber eben mit Monokulturen. Reine Fichtenwirtschaft liefert hohe Erträge, die Bäume reagieren jedoch empfindlich auf Dürre, Sturm und Schädlinge. Ökologische Folgen reiner Fichtenwälder sind die Versauerung und Nährstoffverluste des Bodens.

Noch immer ist die Fichte der "Brotbaum" der Forstwirtschaft, denn sie wächst schnell und garantiert hohe Erträge. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Die Risiken solcher reiner Fichtenwälder seien heute die gleichen wie vor 150 Jahren, erklärt Nörr: Auch beim Orkan Niklas vor zwei Jahren seien die Bäume, die besonders auf feuchten Böden nur einen flachen Wurzelteller ausbilden, oft reihenweise entwurzelt worden. Fichtenmonokulturen seien außerdem sehr anfällig für den Befall durch den Borkenkäfer, der ganze Wälder ausrotten könne. Das sei aber ein generelles Problem von Monokulturen - ähnliche Probleme seien auch in reinen Kieferwäldern zu beobachten, erklärt der Förster.

Problematisch ist für die Fichte auch der Klimawandel. "Trockenphasen und hohe Temperaturen machen der Fichte noch mehr zu schaffen als anderen Bäumen, weil sie sehr viel Wasser braucht", sagt Nörr. Die Fichten hätten deshalb im heißen und trockenen Sommer 2015 besonders gelitten. Steigende Temperaturen und extreme Wetterlagen könnten für die Fichte in Zukunft also ein großes Problem darstellen. Dennoch dürfe bei allen Problemen nicht vergessen werden, dass sie das "Rückgrat der deutschen Forstwirtschaft" sei, erklärt Nörr.

In Monokulturen haben aber auch Schädlinge wie der Borkenkäfe leichtes Spiel. (Foto: AELF/oh)

"Der Mensch hat die Fichte dort hin gepflanzt, wo sie heute wächst. Auf dem richtigen Standort ist sie eine wunderbare Baumart", sagt Wodarz. Es sei daher auch in Zukunft sinnvoll, die Fichte zusammen mit weiteren Nadelbäumen, zum Beispiel der Tanne, und Laubbäumen in Mischwäldern zu pflanzen. So könne man den für die Forstwirtschaft unverzichtbaren Baum nachhaltig nutzen. Inzwischen findet man die Fichte oft in Mischwäldern mit Buchen, Kiefern oder Douglasien. "So kann der wertvolle, CO₂-neutrale Rohstoff Fichtenholz in einem stabilen Wald gewonnen werden", erklärt Wodarz.

© SZ vom 11.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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