Umgang mit Hinderburg:Kluge Lösung für Tölz

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Die Stadt setzt auf Information und Bescheidenheit

Von Klaus Schieder

In Bad Tölz sind Bürgermeister, leitende Rathausangestellte und manche Stadträte rasch bei der Hand, wenn sie sich selbst und gegenseitig auf die Schultern klopfen können. Damit wollen sie mitunter gar nicht so sehr das eigene Ansehen befördern, ganz sicher aber das Image der Touristenstadt: Wer gut über sich spricht, wird andernorts eher so wahrgenommen. Das ist beim neuen "Informationsweg Hindenburgstraße" nicht anders. Beispielgebend, beneidenswert, vorbildhaft, überregional bedeutend - das waren so die Adjektive für das Projekt, das am Dienstagabend im Stadtmuseum der Bevölkerung erläutert wurde. Es ist Hermann Rumschöttel zu danken, dass er auf die Euphoriebremse trat. Selbst Mitglied der Expertenrunde, die das Konzept erarbeitete, riet der ehemalige Generaldirektor der bayerischen Staatsarchive zu mehr Bescheidenheit. Info-Weg statt Straßenumbenennung - das sei eine Tölzer Lösung für ein Tölzer Problem, sagte er. Recht hat er.

Mäßigung ist angebracht, denn vor zwei Jahren schrammte der alte Stadtrat hauchdünn an einer Blamage vorbei. Lediglich mit einer Stimme Mehrheit erkannte das Gremium damals die Ehrenbürgerwürde für Hindenburg ab. Wie eine Abstimmung über einen anderen Straßennamen ausgegangen wäre, lässt sich leicht mutmaßen. Bürgermeister Josef Janker traf deshalb eine weise Entscheidung, als er es gar nicht so weit kommen ließ und notgedrungen ein "begehbares Mahnmal" vorschlug. Das klang zunächst nebulös, führte aber auf den Sonderweg, mit dem sich Bad Tölz nun wohltuend von kläglichen Beispielen im Umgang mit Kasernen, Büsten und Straßen abhebt, die nach dem Generalfeldmarschall, Propagandisten seiner selbst und Steigbügelhalter für die Nazis benannt sind. Etwa von Dietramszell. Etwa von Garmisch. Etwa von Sylt, wo es noch immer einen Hindenburgdamm gibt, ohne jede Diskussion darüber.

Der Informationsweg löscht eine unrühmliche Geschichte nicht aus dem Tölzer Straßenbild, stattdessen klärt er auf elf Stelen über die verhängnisvolle Rolle Hindenburgs auf. Dabei sollte es allerdings nicht um einen PR-Effekt für die Kurstadt gehen, sondern um einen ehrlichen Umgang mit der eigenen Geschichte. Ob der Stelen-Pfad andernorts Nachahmer findet, spielt keine Rolle. Wenn aber dieses Modell andere Kommunen dazu anregt, sich mit ihrem Hindenburg-Erbe kritisch und kreativ zu befassen, dürfen sie sich in Tölz mit Recht auf die Schultern klopfen.

© SZ vom 23.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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