Tölzer Prügel:Überfluss und Mangel im Isartal

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Icking ist sehr gefragt, was sich auch an den gesalzenen Immobilienpreisen zeigt. Was das Gegenteil von Andrang ist, erlebt die Gemeinde derzeit indes bei den Erziehern

Kolumne von Claudia Koestler

Icking ist schön, so schön gar, dass immer mehr Menschen dort hinziehen. Und wie das eben so ist mit Angebot und Nachfrage, sind durch den starken Andrang am Hochufer der Isar die Preise längst explodiert, die Kommune ist eine der teuersten im ohnehin ziemlich teuren Oberland. Leisten kann sich dort der Ottonormalverbraucher schon lange nichts mehr. Man muss Erbe, Lottogewinner oder eindeutiger Besserverdiener sein, möchte man dort wohnen. Und selbst dann reicht es eigentlich kaum, wenn nur einer in der Familie verdient. Also müssen meist beide Eltern arbeiten. Die wenigen, die dort leben, ohne Doppelverdiener zu sein, sind entweder Privatiers - oder Alleinerziehende. Die stellen in Icking zugegebenermaßen zwar nicht die Mehrheit, sondern die Minderheit, sind aber nicht minder Teil der Kommune.

Man könnte also auch sagen, Icking ist ein Mikrokosmos, ein Spiegel dessen, worauf die Gesellschaft im Ganzen zusteuert: die extreme Spaltung in Arm und Reich. Mit all seinen Folgen. Eltern sollten die freie Wahl haben, ob sie beide arbeiten oder mindestens einer ganz für das Kind da ist, und sich nicht zu einer Entscheidung gezwungen fühlen. Doch das ist schon seit Jahren nurmehr Utopie - und meist ist es eine Frage der Finanzen. In Icking jedenfalls sind viele Eltern darauf angewiesen, zu arbeiten und ihre Kinder nach der Schule gut aufgehoben zu wissen.

Dass sich dort wiederum wie in einem Brennglas die Betreuungssituation so zuspitzt, weil sich der Fachkräftemangel bemerkbar macht und erstmals keine einzige Bewerbung von Erziehern im Haus für Kinder einging, zeigt, dass die Zeichen der Zeit zu lange nicht erkannt wurden. Offenbar ist Icking schon so teuer, dass sogar alle Schönheit des Isartals keinen mäßig bezahlten Pädagogen mehr lockt. Möglich zwar, dass es die Eltern noch einmal selbst lösen. Indem sie Leute finden, die die Aufgabe übernehmen, oder indem mancher eine Au Pair-Kraft oder eine Nanny anheuert und so den Platz räumt für jene, die sich das nicht leisten können. Den Karren an die Wand gefahren hat aber die Gemeinde. Und das muss nun ein heilsamer Schock sein. Bei der geplanten Offenen Ganztagsschule müssen die Weichen so früh wie möglich gestellt und Fortschritte oder beginnende Probleme so schnell wie möglich öffentlich gemacht werden, damit Zeit bleibt, gegenzusteuern. Für alle anderen Kommunen gilt indes, gewarnt zu sein vor dem, was in Icking nun passiert ist.

© SZ vom 15.07.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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