Tölzer Prügel:Dein Freund und Angstmacher

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Die Polizei erklärt Geretsried zur sicheren Zone mit diffusen Unsicherheitsgefühlen

Kolumne von Felicitas Amler

Jetzt also auch Geretsried: Die Stadt bekommt wie Wolfratshausen eine Sicherheitswacht - Ehrenamtliche, die zwischen Gartenberg und Stein Streife gehen. Sie sollen "zusätzliche Augen und Ohren der Polizei im Dienste der öffentlichen Sicherheit und Ordnung" sein. So definiert es die Polizei. Erfreulich nur, dass es im Geretsrieder Stadtrat darüber wenigstens eine Meinungsverschiedenheit gab. Denn mit gutem Grund obliegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung hierzulande einem staatlich qualifizierten und kontrollierten Exekutivorgan. Wenn die Polizei dies allein nicht mehr schafft, hätten ihre Vertreter Besseres zu tun, als für Laienbegleitung zu werben. Sie müssten sich vehement dafür einsetzen, dass sie personell besser ausgestattet werden. Aber darum gehe es gar nicht, so wird behauptet. Sondern um diffuse Ängste. Und die werden dann ordentlich geschürt.

Zweierlei hat der Polizeipräsident im Geretsrieder Stadtrat vorgebracht. Zuerst einmal: Es gebe kein Sicherheitsproblem in Geretsried. Man muss das wiederholen und sich einprägen: Kein Sicherheitsproblem in Geretsried. Das ist doch sehr beruhigend. Aber nein! Der Polizeipräsident war ja noch nicht fertig. Er ließ, zweitens, eine Situation vor den Augen seiner Zuhörer entstehen, in der "die meisten Menschen ein diffuses Unsicherheitsgefühl" hätten. Das klingt dramatisch. Und das Szenario? Eine junge Mutter mit Kinderwagen überquert einen Platz, auf dem sich Menschen aufhalten, die "erkennbar nicht aus Geretsried" stammen. Vielleicht aus Tölz oder Icking, möchte man scherzend nachfragen. Aber zum Lachen ist die Sache nicht. Ein Polizeipräsident, der so daherschwadroniert, vergiftet das öffentliche Klima.

Geretsried ist stolz darauf, mehr als hundert Nationen zu beherbergen. Als vor wenigen Jahren eine große Zahl von Flüchtlingen hier unterzubringen war, haben Bürgermeister und Stadträte alles getan, um eine gastfreundliche Atmosphäre zu schaffen und zu bewahren. Es gibt eine Integrationsbeauftragte, und es wird kontinuierlich an einem Integrationskonzept gearbeitet. Fremde werden hier nicht argwöhnisch beäugt. Der Polizeipräsident aber trampelt auf dem Gründungsmythos Geretsrieds herum. Wer hat schließlich diese Stadt aufgebaut? Flüchtlinge und Vertriebene. Menschen, die erkennbar nicht aus Geretsried stammten.

© SZ vom 03.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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