Tölzer Prügel:Alle mal aussteigen!

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Die Rolle rückwärts beim kostenlosen Wolfratshauser Stadtbus schadet der dringend nötigen Stärkung des ÖPNV

Kolumne von Claudia Koestler

Eine Busfahrt, die ist lustig. Zumindest in Wolfratshausen, wenn man entweder Schüler ist oder Rentner. Schließlich kostet dort eine Fahrt mit dem Stadtbus mal gar nichts. Ganz richtig, für Schüler und Rentner ist das Busfahren kostenlos, so hat es der Stadtrat im Juli beschlossen. Zum einen, um die Attraktivität des Stadtbusses zu steigern. Zum anderen, man ahnt es, um ein Zeichen gegen Klimawandel und Verkehrskollaps zu setzen.

Doch Halt, alle mal aussteigen: Dieser Vorstoß ist nämlich vor allem eines gewesen, ein Schnellschuss. Und nun rudert Wolfratshausen zurück und verkürzt das Umsonst-Angebot drastisch. Schluss mit lustig also. Ob es im kommenden Schuljahr noch Gratis-Schülertickets geben wird, ist offen, Rentner werden 2020 immerhin noch mit von der Stadt bezahlten Einzelfahrkarten bedient. Während regional und überregional so mancher Bürgermeister schon Schnappatmung hat ob der Nachahmungsforderungen aus der eigenen Bevölkerung, zieht die Loisachstadt schon wieder die Notbremse. Denn so ganz klar ist nicht, wie sich das Ganze rechnen soll, respektive wie viel vom bereits verauslagten Geld (mehr als 180 000 Euro) an die Stadt zurückfließen wird. Um ehrlich zu sein, so ganz verstanden hatte das eh niemand mit der Finanzierung, die irgendwie über eine Rückzahlung in etwa derselben Höhe wie die Ausgaben hätte liegen sollen, weil durch die Massen an von der Stadt bezahlten Tickets der städtische Betriebskostenzuschuss hätte sinken sollen. Klingt ein bisschen nach "rechte Tasche, linke Tasche", oder einer Formel für ein Perpetuum mobile. Was die Wolfratshauser Stadträte nicht davon abhielt, etwas zu tun, wofür sie eigentlich nicht bekannt sind: ganz schnell einen Beschluss zu fassen.

Schon fatal: Da will Wolfratshausen einmal Nägel mit Köpfen machen, mag einmal Vorreiter sein, und dann ist das Ganze doch zu kurz gesprungen. Kommando zurück. Dabei war die Grundidee super: Je leichter es ist, in einen Bus zu steigen, desto größer ist schließlich die Wahrscheinlichkeit, ihn auch zu nutzen. Und diese Leichtigkeit bemisst sich nun mal in Verfügbarkeit, Takt, Platzangebot, Route und eben auch den Kosten.

Mit dem Schnellschuss und der nun folgenden Rolle rückwärts aber hat eine gute Idee, eine gute Sache Schaden genommen. Was wie ein ökologisch und ökonomisch sinnvolles Nullsummenspiel verkauft worden ist, droht nun eben doch ganz massiv auf Kosten des Steuerzahlers zu gehen. Und dieser Haken wiederum wirft einen noch weit dramatischeren Schatten: Er wirft nämlich die dringend nötige Stärkung des ÖPNV zurück.

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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